Drei Menschen in Uganda erleben einen Tag, der ihnen alles abverlangt. Die Hausangestellte Mary muss ihre Schwester aus den Fängen der korrupten Polizei freikaufen. Der zwölfjährige Olweny kehrt aus dem Rehabilitationszentrum für ehemalige Kindersoldaten zurück zu seinen Eltern. Und der Hip-Hopper Armstrong trifft in den Slums der Hauptstadt Kampala einen alten Freund wieder, der als Bandenchef das Viertel kontrolliert. Die ugandische Regisseurin Caroline Kamya erzählt in ihrem Spielfilm „Imani“ die Geschichten ihrer drei Protagonisten parallel und lässt die Zuschauer sehr authentisch in das heutige Uganda eintauchen.
„Ich glaube, die Menschen im Westen wie in Afrika dürsten nach etwas Neuem. Sie wollen die Stimme des Kontinents hören“, sagt Caroline Kamya bei einem Runden Tisch zur Filmproduktion in Afrika, zu dem die Heinrich-Böll-Stiftung im Februar anlässlich der Filmfestspiele eingeladen hat. Als Teilnehmerin des Berlinale Talent Campus setzte sich die Uganderin 2007 das Ziel, in spätestens zwei Jahren wieder nach Berlin zu kommen – mit einem Spielfilm. „Nun, es hat ein Jahr länger gedauert“, räumt sie lachend ein. „Imani“ hat sie vollständig eigenfinanziert, um zu vermeiden, dass ihr jemand in Inhalt oder Drehbuch hineinreden könnte.
„Die jungen afrikanischen Filmemacher beginnen, ihre eigenen Geschichten in ihren eigenen Worten und ihren Sprachen zu erzählen“, sagt Peace Anyam-Fiberesima. Die nigerianische Produzentin ist Gründerin der African Film Academy und hat den African Movie Award ins Leben gerufen, ein panafrikanisches Event, bei dem sich afrikanische Filmemacher begegnen, austauschen und nicht zuletzt auch feiern können. Förderer und Finanzierer aus dem Ausland tendierten dazu, den Arbeitsprozess mitbestimmen zu wollen, meint Peace Anyam-Fiberesima. „Die Bilder aus Afrika, die euch gefallen, zeigen einen von AIDS getriebenen Erdteil, der immer weiter die Hand aufhalten muss. Wenn wir in der Lage wären, die Infrastruktur für das Filmemachen in ganz Afrika zu verbessern, würdet ihr das echte Afrika sehen. Wir haben mehr als ein Thema zu bieten.“
Das beweist eindrucksvoll „Congo in Four Acts“, eine Zusammenstellung von vier Dokumentarfilmen aus der Demokratischen Republik Kongo, die das Ergebnis eines Filmausbildungsprojekts waren. „Ladies in Waiting“ begleitet eine Krankenhausangestellte durch ihren Arbeitsalltag. Sie muss das Geld eintreiben, das die Wöchnerinnen dem Krankenhaus für Geburt und Nachsorge schulden. „Symphony Kinshasa“ zeigt Improvisation und Resignation der Einwohner der Hauptstadt Kinshasa angesichts des vollständigen Mangels an Infrastruktur. „Shrinking Press“ handelt von Freiheit und Käuflichkeit der Informationen und Meinungen.
„After the Mine“ schließlich begleitet eine Frau und ein Kind, die den ganzen Tag in einem Geröllfeld Steine zu Schotter schlagen. Steven Markovitz, der südafrikanische Produzent von „Congo in Four Acts“ bestätigt, dass es sehr viel leichter ist, das Geld für eine Produktion über HIV/AIDS oder über sexuelle Gewalt zusammenzubekommen als für einen Film, der von der Beziehung zwischen einem Vater und einem Sohn erzählt. Und noch ein Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd offenbart der Festivalauftritt von „Congo in Four Acts“: Trotz Einladung der Berlinale bekam einer der Regisseure kein Visum. „Die Deutsche Botschaft hatte Angst, er könnte in Deutschland bleiben wollen“, sagt der kongolesische Produzent Djo Tunda Wa Munga.
Hilfe bei der professionellen Ausbildung im Filmemachen, bei der Vermarktung, beim Schaffen von Netzwerken und Errichten von digitalen Kinos braucht Afrika dringend, da sind sich die Teilnehmer am Runden Tisch einig. Doch in der Finanzierung ihrer Inhalte wollen die Filmschaffenden vom Norden unabhängiger werden. Peace Anyam-Fiberesima bemüht sich seit zwei Jahren darum, einen African Film Fund zu etablieren. Sie rekrutiert Finanzmittel vor allem von Regierungen, im Bankensektor und bei Ölfirmen. Bei Letzteren ist sie nicht zimperlich. Die Ölmultis müssten den Afrikanern etwas von dem zurückgeben, was sie ihnen wegnehmen, findet sie. Deshalb animiert sie Jugendliche, in kurzen Videos die Ausbeutung durch die Ölfirmen zu dokumentieren. „Wenn wir ein Video über die Vergiftung des Wassers bekommen, leiten wir es an die Ölfirmen weiter und sagen denen, dass dieser Film vielleicht auf YouTube laufen könnte.“
Caroline Kamya wollte einen Film drehen, wie sie ihn selbst gerne gesehen hätte, als sie für einige Zeit in England lebte. „‘Imani’ ist ein Film über uns“, sagt sie, „darüber, wer wir wirklich sind.“
Mitarbeit: Jenny Friedrich-Freksa