Abtanzen in Uganda
Spätestens als die nigerianische Rapperin Bisola Olugbenga, alias Aunty Rayzor, mit ihrer rauen Stimme ihren Hit „Doko“ rappte, war die Tanzfläche vor der Bühne knallvoll – trotz der üblichen Terrorwarnung, die das LGBTQI+-positive Nyege Nyege-Festival überschattete. Mit ihrem Mix aus Hip-Hop, Afrobeats, House- und Ethno-Klängen begeisterte die Künstlerin die Fans im November 2023 auf dem Festival in der ugandischen Stadt Njeru, das mit über 9.000 Besuchern mittlerweile zu den größten in Ostafrika gehört.
Aunty Rayzor rappt auf Yoruba, das vor allem in westafrikanischen Ländern verbreitet ist. Obwohl viele ihrer Fans die Sprache gar nicht verstehen, ging ihr Album „Viral Wreckage“, das im September 2023 bei Hakuna Kulala in Uganda erschien, direkt durch die Decke. Die Sängerin verbindet eigenwillige, roh und kantig klingende Electro- und Grime-Elemente mit solchen des Afrobeats, des eingängigen, populären transafrikanischen Pop-Genres, das mittlerweile weltweit gefeiert wird. Das passt zum Nyege Nyege, das die britischen Musikmagazine „Resident Advisor“ und „Fact“ zu einem der besten Electro-Festivals der Welt erklärt haben. Nyege Nyege ist Suaheli und bedeutet so viel wie „urplötzlicher Drang, unkontrolliert zu tanzen“.
„Britische Musikmagazine haben Nyege Nyege zu einem der besten Electro-Festivals der Welt erklärt“
Für den eklektischen Sound des Festivals steht wohl kaum ein Label so sehr wie Hakuna Kulala, das neueste Projekt der Nyege Nyege-Gründer Derek Debru und Arlen Dilsizian. Die beiden lernten sich Anfang der 2010er-Jahre kennen, als beide noch Lehrer an der Kampala Film School waren. Gemeinsam begannen sie, populäre Undergroundpartys zu organisieren, bei denen alternative Genres statt des üblichen Mainstream- Dancehall, Reggae oder Afrobeats gespielt wurden. Durch diese Erfolge ermutigt, eröffneten die beiden ein Tonstudio, um die Musik, die sie fördern wollten, professionell aufnehmen zu können.
Als im Jahr 2015 dann das erste Nyege Nyege-Festival im Nile Discovery Resort in Njeru stattfand, waren viele der Besucher mit einer ihnen völlig neuen Klangwelt konfrontiert, mit Fusion-Genres wie Kuduro und solchen, die traditionelle Acholi- und Bakisimba-Rhythmen mit elektronischen Beats verschmelzen. Mit dem Erfolg kamen allerdings auch Angriffe vonseiten des konservativen Establishments; manche Politiker und religiöse Führer sehen in dem Festival ein Symbol und einen Ort des Bösen. Der bekannte ugandische Prediger Martin Ssempa etwa wollte das Festival wegen seiner „satanischen Praktiken“, vor allem aber wegen der Offenheit gegenüber der LGBTQI+-Community, verbieten lassen. Popkultur ist in Uganda immer auch ein Politikum.
„Wir haben festgestellt, dass es effizienter ist, unsere Musiker international zu bewerben als in Uganda selbst“
Debru und Dilsizian ließen sich davon nicht beirren. Sie gründeten ein Label, um den Künstlerinnen und Künstlern, mit denen sie zuvor auf ihren Partys und Festivals zusammengearbeitet hatten, eine Plattform und ein finanzielles Auskommen zu ermöglichen: zunächst Nyege Nyege Tapes, dann 2017 Hakuna Kulala, auf denen sie inzwischen mehr als fünfzig Alben digital, auf Vinyl und Kassette veröffentlicht haben. „Letztlich ist Uganda ein Stadtstaat, alle reichen Bürgerinnen und Bürger und großen Unternehmen des Landes haben ihren Sitz in Kampala“, sagt Debru.
Das Musikgeschäft sei hier „wettbewerbsintensiv“, es gäbe viele Künstlerinnen und Künstler in einem sehr überschaubaren Markt. „Deshalb haben wir uns entschieden, anders zu arbeiten“, so Debru.
„Wir haben festgestellt, dass es einfacher und effizienter ist, unsere Musiker international zu bewerben als in Uganda selbst. Denn bei uns neigen die Leute dazu, Acts erst dann wirklich ernst zu nehmen, wenn sie sich im globalen Norden etabliert haben.“
Das könnte auch für eine der neueren Künstlerinnen des Labels gelten, die Rapperin MC Yallah mit ihrem Album „Yallah Beibe“. Yallah Gaudencia Mbidde ist in Kenia geboren und in Uganda aufgewachsen.
„Jetzt haben wir die richtige Nische entdeckt, einen Sound irgendwo zwischen Europa und Japan“
Derek Debru und Arlen Dilsizian lernten sie kennen, als sie für eine innovative politische Hip-Hop-Nachrichtensendung namens „Newz Beat“ einmal die Woche Kurzmeldungen rappte. Schnell wurde sie unter Vertrag genommen und 2022 bei den ugandischen MTN Hip-Hop Awards als beste weibliche Rapperin ausgezeichnet.
Debru hat diese Anerkennung gefreut, er weist aber darauf hin, dass Yallahs Musik von ugandischen Radiosendern immer noch nicht gespielt wird. „Langfristig wollen wir eine lokale Fangemeinde für sie aufbauen“, sagt er. „Wir mussten einen Sound finden, der für sie und unser Publikum funktioniert. Ich denke aber, dass wir jetzt die richtige Nische entdeckt haben, einen Sound irgendwo zwischen Europa und Japan.“