Eine Stunde hinter Berlin beginnt Polen. Mitten in Europa und trotzdem „geistig im Osten“, wie der Schriftsteller Jacek Dehnel schreibt. Wir schauen in dieser Ausgabe in ein Land, das sich, seit dort die PiS-Partei regiert, in rasendem Tempo zurückzuentwickeln scheint. Die Unabhängigkeit der Gerichte wird ebenso
beschnitten wie die Pressefreiheit oder die Rechte von Frauen. Doch der autoritäre Sog erzeugt auch heftige demokratische Gegenbewegungen. Wie in so vielen Ländern weltweit tobt auch in Polen ein Kampf um Aufbruch oder Stillstand.
Der Journalist Piotr Pacewicz beschreibt in seinem Einleitungsessay, wie in jüngster Zeit staatliche Programme »Arme und Vergessene« aus der Nichtexistenz zurück in die Gesellschaft holten. Die Autorin Joanna Bator erzählt im Interview von der patriarchalen katholischen Kultur Polens und wie traumatisch sie wirken kann, besonders auf Frauen. Und der in Lodz aufgewachsene Architekt Daniel Libeskind spricht über polnische Bautraditionen, etwa darüber, wie in Warschau der riesige, auf Anordnung Stalins errichtete Kulturpalast im heutigen Stadtbild mehr und mehr in den Hintergrund tritt.
Politik spielt naturgemäß derzeit eine entscheidende Rolle in Polen. Doch wir widmen uns zusammen mit unseren Autorinnen und Autoren auch der Kultur des Landes: der jungen Kunstszene ebenso wie der polnischen Küche oder den Besonderheiten der polnischen Sprache und ihren berühmten Konsonantenclustern – ch, cz, dz, dź, dż, sz, dzi! Kommen Sie mit nach Polen, es ist ganz nah.