Schwarze Skifahrer?

von Anthony Kwame Harrison

Beweg dich. Ein Heft über Sport (Ausgabe I/2014)


Als Schwarzer, der Ski läuft, ernte ich häufig neugierige Blicke. Man fragt mich, wie ich zu diesem Sport kam. So viel Beachtung kann durchaus schmeichelhaft sein, denn ich bin ein recht guter Skifahrer. Immer wieder jedoch berichten mir schwarze Bekannte von gaffenden Blicken auf den Pisten, die ihrem Eindruck nach insgeheim die Botschaft transportieren: „Du gehörst hier nicht hin.“ Aber warum sind schwarze Skiläufer in einer Zeit, da schwarze Athleten in großer Zahl in – geschichtlich gesehen – rein weiße Sportarten wie Golf, Tennis und Eishockey vorgedrungen sind, noch immer etwas Besonderes?

Sport gilt gemeinhin als Arena sozialer Integration, in der Menschen unterschiedlichster Herkunft unter gleichen Bedingungen gegeneinander antreten und in der Fans jeglicher Couleur zusammenkommen. Dass bestimmte Hautfarben jedoch in ausgewählten Sportarten mit besonderen Erfolgen einhergehen – der Sprint ist eins der besten Beispiele –, scheint die Vorstellung von fundamentalen biologisch-ethnischen Unterschieden zu bestätigen.

Niederländische Soziologen haben Interviews mit schwarzen surinamischstämmigen holländischen Studenten und weißen holländischen Studenten geführt und herausgefunden, dass beide Gruppen die überproportionale Präsenz von schwarzen Athleten in gewissen Sportarten mit der Natur ihrer Körper erklärten. In Sportarten, in denen weiße Athleten dominieren, wurde ihr Erfolg mit wirtschaftlichen, kulturellen oder psychischen Faktoren in Zusammenhang gebracht. Während die starke Präsenz von schwarzen Athleten in manchen Sportarten ein viel diskutiertes Thema ist, sorgt sich das öffentliche Interesse selten um jene Sportarten, die für Schwarze nach wie vor praktisch unzugänglich sind. Skilaufen ist ein solches Beispiel.

Die Beziehung zwischen Skifahren und Hautfarbe lässt sich bis zu den europäischen Ursprüngen des Sports zurückverfolgen. Damals unterschied man zwischen dem „alpinen“ und dem „nordischen“ Skilaufen. Beide Bezeichnungen stammen aus William Ripleys „soziologischer“ Kategorisierung in „The Races of Europe“ von 1899. Ripley geht davon aus, dass es unterschiedliche Verhaltensweisen und Begabungen gibt. Das Wort „alpin“ indiziert bei ihm sowohl die Region, in der dieser Sport stattfindet, als auch die rassistische Zuschreibung von Menschen, die als Bewohner jener Region zu Recht diesen Sport ausüben.

Dieses Erbe lässt sich ablesen an der Ikonografie des Skitourismus, dem langjährigen Erfolg von Skifahrern aus den Alpenländern bei internationalen Wettkämpfen und der meist uneingestandenen Auffassung, nach der bestimmte Völker als pistentauglich beziehungsweise -untauglich gelten. Skilaufen gilt in diesem Kontext als elitärer, teurer Sport, der üblicherweise von Eltern an ihre Kinder weitergegeben wird. Bilder vom Skilaufen werden größtenteils über die weiße Ski-Medienindustrie fortgeschrieben, die sich an einen überwiegend weißen Skimarkt richtet, wodurch das Klischee, dass Schwarze schlichtweg nicht Ski fahren, aufrechterhalten wird. Und das, obwohl Organisationen wie der Nubian Ski Club in England und die National Brotherhood of Skiers in Amerika versuchen, den Skisport unter Schwarzen zu fördern.

Was also tun, um die Sichtbarkeit und Zahl schwarzer Skiläufer zu erhöhen? Zunächst müssen die Skimedien das allgemeine Bewusstsein dafür schärfen, dass schwarze Skiorganisationen Gipfeltreffen veranstalten, bei denen alljährlich Tausende schwarzer Skiläufer zusammenkommen. Zweitens sollten diese schwarzen Skiorganisationen sehr viel systematischer und regelmäßiger Ausflüge von kleinen Gruppen fördern, denn alljährliche Massenveranstaltungen bestärken nur die Vorstellung, dass schwarze Skifahrer eher die Ausnahme als die Regel sind.

Und schließlich braucht der Skisport seinen Tiger Woods oder seine Serena Williams, um der breiten Masse klarzumachen, dass Skilaufen durchaus ein Sport ist, in dem Schwarze hervorragende Leistungen bringen und an dem sie Freude haben können. Nur dann wird es gelingen, den ganz alltäglichen Rassismus, wie er sich im Skisport manifestiert, zu überwinden.

Aus dem Englischen von Claudia Kotte

 



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