Die Grenzen Europas wachsen in die Höhe. Bürgern aus Ländern der Dritten Welt wird mittlerweile nur noch selten das Einreisevisum gewährt. Doch der Traum von einem besseren Leben führt viele auf illegalem Weg in die Erste Welt. Zu Fuß, per Ruderboot oder versteckt im Anhänger eines Lastwagens kann das gefährliche Unternehmen noch an den Grenzwächtern scheitern. In Hamid Skifs neuem Roman „Geografie der Angst“ schießen diese „auf jeden Schatten“.Der 1951 in Oran in Algerien geborene Journalist und Autor schildert ein Europa, in dem die Grundrechte an Universalität eingebüßt haben. Die Jagd auf nicht legale Einwanderer hat begonnen: „In den Hangars beim Flughafen haben sie Tausende von Illegalen eingesperrt. Über das Radio werden die Leute aufgefordert, der Polizei [...] tatkräftig zur Hand zu gehen.“
Solche Kurzberichte über immer dubiosere Maßnahmen zur Verhaftung unerwünschter Immigranten tauchen regelmäßig im inneren Monolog der Hauptfigur, eines papier- wie namenlosen Algeriers, auf. Eine Weile geht der junge Mann nachts noch aus, um in Mülleimern nach Essensresten zu wühlen. Bald versteckt er sich nur noch im Zimmer eines Studenten, der ihn ab und zu mit Proviant versorgt. So resümiert er seine paradoxe Lage: „Draußen wäre ich im Gefängnis. Hier drin bin ich frei, aber ich existiere nicht.“ In welchem europäischen Land er sich aufhält, wird nicht gesagt. Zwar ist einmal vom Säubern „mit dem Kärcher“ die Rede, was unweigerlich Nicolas Sarkozys Worte in Erinnerung ruft, die während der Unruhen in den Pariser Banlieues 2005 fielen.
Doch geht es Hamid Skif weniger um die aktuelle Immigrationspolitik als um die seelische Befindlichkeit eines Mannes, der vor Hunger aus seiner Heimat geflohen ist. Der Autor selbst floh aufgrund verschärfter Zensurmaßnahmen und eines Mordanschlags aus Algerien und lebt seit 1997 in Hamburg. Die Angst vor der Abschiebung wie auch vor dem Verlust der Würde und nicht zuletzt des Verstandes ist allgegenwärtig. „Um nicht die Kaffeekanne gegen die Wand zu schmeißen“, schreibt Hamid Geschichten und erinnert sich der eigenen. Auf verstohlene Weise konfrontiert er europäische Leser mit der eigenen Verantwortung im wachsenden Konflikt zwischen Arm und Reich. Der Roman, der bereits mit dem Prix de l‘association des écrivains de langue française und dem Prix du Roman Francophone 2007 ausgezeichnet wurde, ist ein Warnsignal.
Hamid Skif. Geografie der Angst. Hamburg: Edition Nautilus, 2007.