Sie waren inzwischen in etwa einem Dutzend russischer Filme zu hören, meistens als Soldat …
… na ja, zu einem Soldaten passt meine Stimme altersmäßig nicht mehr. Oft sind es Offiziere, angefangen bei irgendwelchen Oberleutnants bis hin zum General. Entweder Wehrmacht oder SS. Meistens herumschreiend, kommandierend, Befehle brüllend.
Zuletzt haben Sie für den Film „Die Sonne, die uns täuscht II“ von Nikita Michalkow synchronisiert. Ihre Rolle war die eines deutschen Offiziers, der eine ganze Dorfbevölkerung in eine Scheune treiben und diese anzünden lässt. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Wenn Sie sich damit befassen, dann machen Sie die Arbeit schlecht. Wenn man eine Rolle spielt, muss man sich voll in die Figur hineinversetzen. Und dann bin ich eben dieser SS-Führer, brutal und fies. Das funktioniert ganz automatisch.
Denken Sie nicht manchmal: Mein Gott, was haben die Deutschen damals eigentlich gemacht?
Wenn man aus dem Studio raus ist, kann man darüber nachdenken. Hinterher bin ich oft so sauer, da sage ich mir: Lieber hätte ich auf der anderen Seite stehen wollen, mit einer Maschinenpistole in der Hand.
Wie bereiten Sie sich vor?
Meistens will ich vorher gar nicht wissen, was kommt. Man kann es ja auch übertreiben mit der Vorbereitung. Zumal die Texte, die ich im Studio in die Hand gedrückt bekomme, oft nicht zu gebrauchen sind.
Wieso nicht?
Entweder sie sind noch auf Russisch und ich muss sie selbst übersetzen oder sie sind schon schlecht ins Deutsche übersetzt. Mitunter ist das so ein Kauderwelsch, dass ich überhaupt nicht verstehe, was gemeint ist. Da stimmen die Vokabeln und die Grammatik nicht. „Du müssen jetzt schießen!“, steht dann da zum Beispiel. Das Schlimme ist, diesen Unsinn haben die russischen Schauspieler beim Dreh schon gesprochen. Auch wenn der Ton nur schwach aufgenommen wurde, die Mundbewegungen sind da. Und ich muss dann sehen, dass ich einen Text baue, der noch zu diesen Mundbewegungen passt.
Werden Sie deshalb immer wieder engagiert?
Ja, man weiß, dass ich die Arbeit ernst nehme. Ich habe sogar schon mal mit verstellter Stimme eine alte deutsche Gutsbesitzerin synchronisiert, natürlich eine Nazi-Anhängerin. Und einmal musste ich richtig laut schreien. Da war ein deutscher Soldat, der mitsamt seinem Auto bei einem Bombenangriff in Flammen aufging. Die im Studio waren so stolz auf meine Leistung, die haben das allen Mitarbeitern vorgespielt.
Nervt es Sie manchmal, dass Sie fast immer für Nazi-Rollen angefragt werden?
Hin und wieder gibt es auch andere Sachen. Deutsche Geschäftsleute zum Beispiel, die für Verhandlungen nach Russland eingeladen werden. Das endete dann im Besäufnis. Da habe ich im Film „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“ gegrölt. So etwas würde ich gerne öfter vertonen.
Warum sehen die Russen so gerne Kriegsfilme?
Das merken Sie doch auch bei den Amerikanern, dort sind Vietnam-Filme immer noch Hits. Hauptsächlich sind es ja Männer, die Kriegsfilme ansehen. Ich kann es Ihnen nicht erklären. Wahrscheinlich spielt da irgendwie der Jäger im Mann eine Rolle.
Der Deutsche als Nazi ist im russischen Film allgegenwärtig. Wirkt sich dieses Stereotyp auch im wirklichen Leben aus?
Absolut nicht. Als ich Anfang der 1990er-Jahre nach Moskau kam, war ich verblüfft, mit wie viel Vorschusslorbeeren ich hier empfangen wurde. Wenn in der Post eine Schlange war, hieß es, ich solle vorgehen. Als Ausländer bräuchte ich doch nicht anzustehen. Da war von deutscher Pünktlichkeit die Rede, Ordnungsliebe und Sauberkeit. „Was die Pünktlichkeit betrifft“, habe ich damals zu den Leuten gesagt, „kennt ihr mich noch gar nicht.“
Das Interview führte Diana Laarz