An den Beginn seines Studiums in Deutschland denkt Gao Yan nicht gerne zurück. Nach einem halben Jahr Sprachvorbereitung in China schreibt er sich, sechs Jahre ist es her, für Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Leipzig ein. Er versteht kaum, was gesagt wird, das Studium ist schwer und Kontakt zu deutschen Kommilitonen findet er nicht. Gao Yan kennt Landsleute, die nach fünf Jahren in Deutschland schlechter Deutsch sprechen als bei ihrer Ankunft. Den Fehler, Zuflucht bei anderen Chinesen zu suchen, begeht Gao Yan nicht. Er zieht zu einem Deutschen in eine WG, das hilft ihm entscheidend.
"Ein Studienanfang muss so gestaltet sein, dass er erfolgreich begonnen werden kann", fordert Dr. Ulrich Heublein von der privaten Hochschul-Informations-System GmbH, einer Hochschulforschungseinrichtung. In einer Untersuchung für den DAAD hat er kürzlich festgestellt, dass jeder zweite ausländische Student sein Studium in Deutschland abbricht. Eine katastrophale Bilanz für die nach Internationalisierung strebenden deutschen Hochschulen. Unter den ausländischen Studierenden stellen Chinesen mit über 25.000 die größte Gruppe, aber auch die mit den größten Problemen. Sie verfügen über gute fachliche Voraussetzungen, aber ihre Sprachkenntnisse sind trotz Zertifikaten ungenügend. Sie kennen nur Vorlesungen, wissen nicht, was ein Seminar ist, und sind mit der verlangten Selbstständigkeit meist völlig überfordert. Dass mehrere Auffassungen gleichberechtigt nebeneinander stehen können, ist ihnen fremd, und nicht selten verpassen sie Praktika oder Prüfungen, weil sie nicht wussten, dass man sich dafür anmelden muss.
Einen neuen Weg der Studienvorbereitung geht das Deutschkolleg der Tongji Universität in Schanghai seit einem Jahr. In interkulturellen Seminaren werden chinesische Studenten sehr umfangreich auf den deutschen Wissenschaftsbetrieb vorbereitet. Nach einer Sensibilisierung für interkulturelle Unterschiede und Missverständnisse werden studienrelevante Redesituationen wie Präsentationen oder Seminardiskussionen und schriftliche Textsorten eingeübt sowie Hilfen für das studentische Alltagsleben und das Kontaktknüpfen in Deutschland gegeben. Durch deutsche Austauschstudenten werden die vielen praktischen Übungen und Rollenspiele authentisch, denn gerne spielen die mal den deutschen Professor, der abends um zehn einen Anruf von seinem chinesischen Studenten bekommt und ihn unwirsch auf seine Sprechstunde verweist. Erprobt werden Begrüßungsformeln, wen man siezt und wen man duzt oder welche soziale Distanz angemessen ist.
Die meiste Zeit widmen die Trainer jedoch den studienbezogenen Inhalten: Wie erstelle ich meinen Studienplan anhand von Informationen aus dem Internet? Wie schreibe ich eine E-Mail an meinen Professor? Wie verfasse ich ein Motivationsschreiben oder halte ein Referat? Bis hin zu simulierten Vorstellungsgesprächen für ein Praktikum reicht die Vorbereitung. "Wir versuchen autonome Lerner auszubilden", sagt Sabine Porsche, DAAD-Lektorin an der Tongji-Universität, und ergänzt: "Chinesische Studenten suchen sich selbstständig den besten Weg, um durch Europa zu reisen, warum sollten sie nicht auch in die Lage versetzt werden können, ihr Studium erfolgreich zu bewältigen?"