Warum gibt es private Militärfirmen?
Private Militärfirmen gibt es seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes, also seit Anfang der 1990er Jahre. Sie entstanden, als die Reduzierung der nationalen Streitkräfte Personal, Waffenarsenale und viele Bereiche der äußeren Sicherheit freisetzte, auf denen die westlichen Nationen oder Schutzmächte wie NATO und Warschauer Pakt nicht mehr tätig werden konnten.
Mit welchen Dienstleistungen verdienen diese Firmen ihr Geld?
Es gibt vier Hauptfelder: Sicherheit, Logistik, Ausbildung und Intelligence. Auf dem Gebiet der Sicherheit kann man am wenigsten Geld verdienen, weil hier die höchsten Verluste auftreten. Daher lassen private Firmen die nationalen Streitkräfte meistens an vorderster Front kämpfen, um personelle Verluste in ihren eigenen Reihen zu vermeiden. Private Militärfirmen dagegen bedienen die Waffensysteme. Im Bereich Logistik sorgen sie zum Beispiel für Trinkwasser oder bauen Elektrizitätswerke auf. Sie erledigen alles, was die Armee braucht, um kämpfen zu können. Der Bereich Ausbildung und Beratung wird heute immer wichtiger. Die Rüstungsindustrie in den USA profitiert hier in doppelter Weise, weil sie nicht nur Waffensysteme verkauft, sondern zugleich an ihnen ausbildet. Folglich werden von ausländischen Staaten auch nur die Waffen angefordert, an denen ihre Streitkräfte ausgebildet wurden. Dadurch entsteht eine extreme Abhängigkeit vom militärischen Know-how etwa der USA, denn alle Erstabnehmer müssen in Folgekursen weitergebildet werden.
Was hat sich seit dem 11. September 2001 verändert?
Der Bereich, der seit den Terroranschlägen in New York am meisten geboomt hat, ist der Geheimdienstbereich. Die CIA ist bereits weitgehend von privaten Militärfirmen und ihren Informationstätigkeiten abhängig. Sie ist somit nur noch eine Art Bürokratiestruktur, denn das Material erhält sie inzwischen von privaten Militärfirmen. Firmen, die im Bereich Geheimdienst und Informationsbeschaffung auch auf deutschem Boden arbeiten, operieren in einer rechtlichen Grauzone und brauchen sich zum Beispiel gegenüber dem deutschen Parlament nicht zu rechtfertigen. Man weiß nicht, woher sie sich Informationen beschaffen und hat keine politische Handhabe gegen sie.
Ist für private Militärfirmen „nach dem Krieg“ immer schon „vor dem Krieg“?
Private Militärfirmen leben von Kriegen und Konflikten. Ohne diese hätten sie keine Aufträge und müssten Konkurs anmelden. Um ihre Geschäftsgrundlage zu erweitern, bieten sie inzwischen auch Dienstleistungen für die Zeit nach den bewaffneten Auseinandersetzungen als „friedenserhaltende Maßnahmen“ an. Private Militärfirmen sind also nicht nur an der Vorbereitung von Kriegen und an ihrer Durchführung, sondern auch an der militärischen Nachbereitung interessiert und beteiligt. Dieses Interesse führt dazu, dass in den Krisengebieten der Welt die Konflikte früher oder später wieder aufbrechen.
Sehen Sie Chancen, den weiteren Aufstieg von privaten Militärfirmen und damit das Aushöhlen des staatlichen Gewaltmonopols zu unterbinden?
Zunächst einmal sind es nur wenige Staaten, die privaten Militärfirmen Daueraufträge geben. Zum anderen kann man diese Firmen mit ökonomischen und politischen Mitteln ganz einfach zum Verschwinden bringen. Man muss sie einfach nicht engagieren. Die angelsächsischen Länder zum Beispiel beauftragen für die Minenräumung private Firmen. In Norwegen dagegen haben Gewerkschaften und Feuerwehr das erfolgreichste und größte Minenräumungsunternehmen ins Leben gerufen, und dieses arbeitet besser, effektiver und billiger als private Militärfirmen.
Das Interview führte Claudia Kotte