Lebenswege | Mexiko

Feministin, Lesbe, Politikerin

Mit liberalen Positionen zu Abtreibung und Diversität wurde ich in Mexiko Kongressabgeordnete – und zur Zielscheibe von Hass

Ein schwarz weiß Porträtfoto von der Politikerin Lucia Riojas Martinez. Sie hat halblange dunkle Haare und trägt eine Brille.

Die Autorin Lucía Riojas Martínez

Kurz bevor die derzeitige mexikanische Regierung im Dezember 2018 ihre Arbeit aufnahm, wurde ich als Kongressabgeordnete für das Unterhaus vereidigt. In meiner Antrittsrede vor den 499 Kolleginnen und Kollegen im Abgeordnetenhaus sprach ich offen und stolz darüber, dass ich lesbisch und Feministin bin. Ich schilderte die Diskriminierung und die Bedrohungen, denen sich die LGBTQ+-Bevölkerung in Mexiko gegenübersieht.

Auf meine Rede folgte ein Shitstorm. Sowohl in den sozialen Medien als auch in Zeitschriften und im Radio machte man sich über mich lustig. Mein Aussehen, meine sexuelle Orientierung, mein Alter, meine Familie, meine Biografie und die Tatsache, dass ich sowohl ein grünes Taschentuch (ein Zeichen für das Recht auf Abtreibung) als auch die Regenbogenflagge trug – meine ganze Identität wurde in Einzelteile zerlegt und kritisiert.

Ich stehe offen dazu, wer ich bin. Ich befürworte das Recht auf Verhütung für alle, ich setze mich dafür ein, dass der Feminismus auch Transpersonen berücksichtigt, und ich verteidige die Demonstrationsfreiheit. Und ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch ein politisches Mitspracherecht haben sollte – insbesondere diejenigen, die viel zu oft überhört werden. Mein Einsatz für diese Überzeugungen hatte schon häufig zur Folge, dass mir Hass und Aggression entgegen schlug.

„Meine Rolle hat sich radikal verändert, doch meine Überzeugungen sind geblieben“

Mehrmals musste ich die Polizei einschalten, weil ich ernstzunehmende Drohungen erhielt. Dennoch weiß ich, dass ich Glück habe und privilegierter bin als viele andere queere Mexikanerinnen. Viele Frauen in meinem Land, die ihre Stimme erhoben haben, fanden kein Gehör. Und viele LGBTQ+-Personen haben überhaupt keine Gelegenheit, die Gewalt, der sie ausgesetzt sind, öffentlich zu machen.

Als Politikerin werde ich gehört. Bis zum Jahr 2021 saß ich als Abgeordnete im Kongress. Doch ich hatte nur eine Stimme und stand meist in Opposition zur Mehrheit. Seit diesem Jahr arbeite ich in der Kommunalverwaltung im Norden Mexikos, als Sprecherin des Stadtrats von Monterrey. Es ist eine junge Verwaltung, die mit dem Ziel angetreten ist, Nähe und Transparenz herzustellen und die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben für alle zu schaffen.

Ich vermittle zwischen politischen Fraktionen, Bürgern und NGOs. Meine Rolle hat sich radikal verändert, doch meine Überzeugungen sind geblieben. Und ich weiß, dass ich genau für dieses Engagement in den Stadtrat gewählt wurde. Mein politisches Gewicht nutze ich beispielsweise, um unabhängige Kongressabgeordnete zu unterstützen – und ich habe „Casa Frida“ gegründet, die erste LGBTQ+-Notunterkunft Mexikos.

Als Interessenvertreterin will ich nicht nur das offensichtlich „Andere“ repräsentieren, sondern dieses Anderssein auch auf sinnvolle Weise in meine Taten einfließen lassen. Ich weiß, dass meine politischen Ansichten (die auf sehr persönlichen Erfahrungen gründen) mich zu einer Zielscheibe für viel Hass gemacht haben. Aber sie haben es mir auch ermöglicht, diesen Platz einzunehmen – einen Platz, an dem ich Missstände beheben kann.

Aus dem Englischen von Caroline Härdter