Pressefreiheit | Uganda

Die Freiheit, queer zu schreiben

Die ugandische Autorin Stella Nyanzi schreibt, was sie will. Dafür kam sie mehrfach ins Gefängnis. Heute lebt sie im Exil in relativer Sicherheit – und will das nutzen
Dekorative illustration mit halb verborgenen Zeitungstexten und dem Schriftzug „EXIL“

In unserer Serie „Aus dem Exil“ schreiben Journalisten und Autorinnen, die ihre Heimat verlassen mussten, weil sie dort nicht mehr sicher arbeiten können. Wozu können sie erst jetzt Stellung beziehen, und wie verändert das Leben im Ausland ihre Arbeit?

Um diese Fragen geht es in den Texten, die einmal im Monat sowohl in der Muttersprache der Mitwirkenden als auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht werden. Das Format entstand in Zusammenarbeit mit der Organisation JX Fund, die Medienschaffende nach der Flucht aus Kriegs- und Krisenregionen unterstützt.

Exil bedeutet für mich, dass ich vollkommen frei über alles schreiben kann, selbst über Themen, die in meiner Heimat tabuisiert sind. Das war mir in Uganda nicht mehr möglich, und es kam der Moment, da ich dort nicht mehr leben konnte.

Der Grund für meine Flucht hängt mit Verhältnissen zusammen, die schon seit Jahrzehnten in meiner Heimat herrschen und die sich seit letztem Jahr noch mal verschlimmert haben: Denn am 26. Mai 2023 billigte Präsident Yoweri Museveni ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz zur Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen und Beziehungen. Es sieht drakonische Strafen vor, darunter die Todesstrafe, lebenslange Haft, hohe Geldbußen; dazu kommen die Kündigung von Arbeitsverhältnissen, der Entzug von Praxislizenzen etwa bei Ärzten, der Verlust der Wohnung oder „Rehabilitationsmaßnahmen“ wie sogenannte Konversionstherapien.

Da das Gesetz auch die „Förderung der Homosexualität“ verbietet, drohen selbst bei der Darstellung  entsprechender Beziehungen bis zu zwanzig Jahre Freiheitsstrafe. Die Angst davor hält viele Menschen in Uganda davon ab, positiv über queere Themen zu schreiben.

Nachdem ich zweimal wegen Beleidigung von Präsident Museveni in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesessen habe, graute mir vor weiteren Inhaftierungen, etwa dafür, dass ich einfach nur etwas über eine kriminalisierte Minderheit publiziere.

„Weil ich weiß, wie brutal queere Autorinnen und Autoren in meiner Heimat unterdrückt werden, will ich meine Freiheit im Exil so produktiv wie möglich nutzen“

Umso mehr genieße ich es jetzt, dass ich seit Januar 2022 als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN-Zentrums in Deutschland lebe und ohne Angst vor Repressalien über gleichgeschlechtlich liebende Menschen und gendernonkonforme Personen in meinem Heimatland Uganda berichten kann.

Gerade weil ich weiß, wie brutal queere Autorinnen und Autoren in meiner Heimat unterdrückt werden und was für ein Risiko jeder veröffentlichte Text ist, will ich meine Spielräume, meine neu gewonnene Freiheit im Exil so produktiv und strategisch wie möglich nutzen.

​​In meinen Schriften geht es um die Normalität des täglichen Lebens von schwulen Männern, lesbischen Frauen, Transgender- und nicht binären Menschen in Uganda. Zum Beispiel enthält meine neueste Gedichtsammlung „Exiled for My Mouth: Poems from Across Borders“ (erschienen 2024) das Gedicht „Two men sleep in the same bed“. Es zeigt, dass gleichgeschlechtlich liebende Menschen normal und in die Alltagsgesellschaft integriert sind, wo sie eine Reihe von Dienstleistungen anbieten.

Two men sleep in the same bed.
One is your daughter’s dentist.
He sang soothingly as her gum bled.
The other is a well-loved hairstylist.
He tenderly fashions the hair on your head.
Although they wear no labels,
In your law, their love makes them rebels.
These two men sleep in the same bed.

Two women sleep in the same bed.
One is your children’s school headmistress.
She manages and disciplines those led.
The other is a high-street seamstress.
She sews gowns and suits for those to be wed.
Although they wear no medals,
Their queer love is the stuff of heroic fables.
These two women sleep in the same bed.

Ich beschreibe, welche teils überraschenden Möglichkeiten an alternativen Versammlungsorten sich trotz allem bieten, zum Beispiel in bestimmten Bars, Restaurants, Parks, Friseursalons, sogar in manchen Kirchen, Kliniken, an Stränden oder in den Räumlichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Ich beleuchte, wie queere Menschen versuchen, sich in den Bereichen Musik, Mode, Sport, Literatur und Poesie zu betätigen, ohne sanktioniert zu werden. Hier und da haben sich ja auch Bürgerbewegungen gegen die zunehmende Homophobie formiert, wie sie von den Kanzeln herab, im Parlament, vonseiten des Präsidenten und in den meisten Medien verbreitet wird.

Doch insgesamt macht sich immer mehr Panik breit, immer stärker dringt der Ungeist dieser Gesetzgebung und der Hassreden in die intimsten Räume und Bereiche gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Beziehungen ein, oft mit brutalsten Folgen.

„Die hasserfüllte homophobe Hetze führt zu schlimmsten Verbrechen gegen queere Menschen“

Im Januar 2024 wurde Steven Kabuye, ein 26-jähriger LGBTIQ+-Aktivist, schwer verletzt, als ihm ein  Angreifer mit einem Messer in den Unterleib stach und dabei „Ffa musiyazi gwe!“ rief, was so viel bedeutet wie  „Stirb, du Homo!“ Die  hasserfüllte homophobe Rhetorik und Hetze führen zu schlimmsten Verbrechen.

So wurde eine lesbische Journalistin von einem Mann vergewaltigt, der glaubte, dass sie dadurch  von ihrem homosexuellen Verlangen „geheilt“ würde. Eltern denunzieren ihre homosexuellen Kinder oder zwingen sie, heterosexuelle Ehen einzugehen.

LGBTIQ+-Organisationen wurden aus dem Vereinsregister gestrichen, inzwischen durchsucht die Polizei immer öfter ihre Büros und beschlagnahmt ihr Eigentum. Viele mussten in den Untergrund gehen und können sich nicht mehr für die Minderheiten, denen sie helfen wollen, einsetzen.

„Wegen der Kriminalisierung selbst von Berichten droht das unsagbare Leid queerer Menschen in Uganda in Vergessenheit zu geraten“

Unzählige Mitglieder der ugandischen LGBTIQ+-Community haben das Land verlassen und sind im benachbarten Kenia gelandet, in Südafrika oder noch weiter weg, in Westeuropa oder Nordamerika. Doch selbst in Asylunterkünften sind einige unter ihnen nicht vor Hassverbrechen sicher.

Im Frühjahr 2021 erlitten zwei homosexuelle Männer, Chriton Atuhwera, genannt „Trinidad“, und Jordan Ayesigye, schwere Verbrennungen, als ein Molotowcocktail auf ihre Unterkunft in Block 13 des Kakuma-Flüchtlingslagers in Kenia geworfen wurde. Jordan hat mit furchtbaren Narben überlebt, Trinidad ist seinen Verletzungen erlegen.

„Selbstzensur oder aufgeben für mich keine Option, wir müssen der Welle homophober Hassverbrechen etwas entgegensetzen“

Gerade mit Blick auf diese schrecklichen Verbrechen ist eine Selbstzensur oder aufzugeben für mich keine Option, wir müssen der Welle homophober Hassverbrechen etwas entgegensetzen. Wegen der zunehmenden Kriminalisierung selbst von Berichten droht das unsagbare Leid queerer Menschen in Uganda in Vergessenheit zu geraten. Dagegen anzukämpfen, dazu kann ich als Autorin im Exil meinen Teil beitragen.

Hier in Deutschland, wo ich relativ sicher bin, kann ich  über Themen schreiben, die mich in Uganda für Jahre oder Jahrzehnte hinter Gitter bringen würden. Während ich mich der politischen Verfolgung in meiner Heimat entziehe, verspüre ich die Pflicht, mich mit meinem Schreiben für die Wahrung der Würde und der Menschenrechte queerer Menschen in meiner Heimat zu engagieren.

Aus dem Englischen von Caroline Härdter


For me, exile means that I can write completely freely about anything, even about topics that are taboo in my home country. This was no longer possible for me in Uganda, and the moment came when I could no longer live there. The reason for my flight has to do with conditions that have prevailed in my home country for decades and which have worsened again since last year: Because on 26 May 2023, President Yoweri Museveni approved a law passed by parliament to criminalize same-sex acts and relationships. It provides for draconian penalties, including the death penalty, life imprisonment and heavy fines, as well as the termination of employment, the withdrawal of medical licenses, the loss of housing and “rehabilitation measures” such as conversion therapy.

Precisely because I know how brutally queer authors are repressed in my home country, I want to use my newfound freedom in exile as productively and strategically as possible.

As the law also prohibits the “promotion of homosexuality”, even the depiction of such relationships is punishable by up to twenty years in prison. The fear of this prevents many people in Uganda from writing positively about queer issues. After serving two sentences in a high-security prison for insulting President Museveni, I dreaded further imprisonment, for example for simply publishing something about a criminalized minority.

Precisely because I know how brutally queer authors are oppressed in my home country, I want to use my newfound freedom in exile as productively and strategically as possible.

I am all the more pleased that I have been living in Germany as a fellow of the PEN Center's Writers-in-Exile program since January 2022 and can report on same-sex loving people and gender non-conforming people in my home country Uganda without fear of reprisals.

Precisely because I know how brutally queer authors are repressed in my home country and what a risk every published text is, I want to use my leeway, my newfound freedom in exile as productively and strategically as possible.

My writings are about the normality of daily life for gay men, lesbian women, transgender and non-binary people in Uganda. For example, my newest collection of poems titled “Exiled for My Mouth: Poems from Across Borders” (2024) includes “Two men sleep in the same bed” – a poem that simply reveals how normal same-sex loving people are, and how they are integrated into everyday society where they offer a range of services.


Two men sleep in the same bed.
One is your daughter's dentist.
He sang soothingly as her gum bled.
The other is a well-loved hairstylist.
He tenderly fashions the hair on your head.
Although they wear no labels,
In your law, their love makes them rebels.
These two men sleep in the same bed.

Two women sleep in the same bed.
One is your children's school headmistress.
She manages and disciplines those led.
The other is a high-street seamstress.
She sews gowns and suits for those to be wed.
Although they wear no medals,
Their queer love is the stuff of heroic fables.
These two women sleep in the same bed.

I describe the sometimes surprising possibilities of alternative meeting places, for example in certain bars, restaurants, parks, hairdressing salons, even in some churches, clinics, on beaches or in the premises of civil society organizations. I shed light on how queer people try to be active in the fields of music, fashion, sport, literature and poetry without being sanctioned.

Here and there, citizens’ movements have formed against the increasing homophobia that is being spread from the pulpits, in parliament, by the president and in most of the media. But overall, panic is spreading more and more, the spirit of this legislation and hate speech is increasingly penetrating the most intimate spaces and areas of social and interpersonal relationships, often with the most brutal consequences.

“The hateful homophobic rhetoric lead to the worst crimes against queer people”

In January 2024, Steven Kabuye, a 26-year-old LGBTIQ+ activist, was seriously injured when an attacker stabbed him in the abdomen with a knife while shouting “Ffa musiyazi gwe!”, which means “Die, you homo!” The hateful homophobic rhetoric and incitement lead to the worst crimes. For example, a lesbian journalist was raped by a man who believed that this would “cure” her of her homosexual desires. Parents denounce their homosexual children or force them into heterosexual marriages.

LGBTIQ+ organizations have been removed from the register of associations, and the police are now increasingly searching their offices and confiscating their property. Many have had to go underground and are no longer able to stand up for the minorities they want to help. Countless members of the Ugandan LGBTIQ+ community have left the country and ended up in neighboring Kenya, South Africa or even further afield, in Western Europe or North America.

“Due to the increasing criminalization of even reports, the unspeakable suffering of queer people in Uganda is in danger of being forgotten”

But even in asylum shelters, some of them are not safe from hate crimes. In spring 2021, two homosexual men, Chriton Atuhwera, known as “Trinidad”, and Jordan Ayesigye, suffered severe burns when a Molotov cocktail was thrown at their accommodation in Block 13 of the Kakuma refugee camp in Kenya. Jordan survived with terrible scars, Trinidad succumbed to his injuries.

Especially in light of these terrible crimes, self-censorship or giving up is not an option for me, we have to counter the wave of homophobic hate crimes. Due to the increasing criminalization of even reports, the unspeakable suffering of queer people in Uganda is in danger of being forgotten. As an author in exile, I can do my part to fight against this.

“Self-censorship or giving up is not an option for me, we have to counter the wave of homophobic hate crimes”

Here in Germany, where I am relatively safe, I can write about topics that would put me behind bars for years or decades in Uganda. While I am avoiding political persecution in my home country, I feel a duty to use my writing to fight for the dignity and human rights of queer people in my home country.