Es wird viel von Nachhaltigkeit gesprochen, aber viel eher sollte man von nachhaltiger Entwicklung sprechen. So wird deutlich, dass es sich um einen dynamischen Prozess handelt. Nachhaltigkeit als Entwicklungsprozess im wirtschaftlichen Kontext muss meiner Ansicht nach drei Ziele verfolgen: Das erste Ziel besteht darin, erfolgreich zu wirtschaften. Zweitens sollte eine soziale und gesellschaftliche Entwicklung gefördert werden und drittens muss es das Ziel sein, ökologische Verantwortung zu zeigen. Erst das Zusammenspiel dieser drei Aspekte macht den wirtschaftlichen Erfolg nachhaltiger Entwicklung aus. Wir brauchen ein Wirtschaftsmodell, in dem alle Beteiligten der Produktionskette einsehen, dass sie von der gleichzeitigen Optimierung der drei Faktoren nur profitieren können, denn Nachhaltigkeit in der Wirtschaft ist wesentlich für die Entwicklung einer Gesellschaft.
Gerade die aktuelle Finanzkrise verdeutlicht, wie die Folgen einer kurzfristigen Fokussierung auf utopische Profitmaximierung die gesamte Wirtschaft in den Abgrund zieht. Auch wenn das Ausmaß der Krise noch nicht absehbar ist, bietet sie doch einen Anstoß zum Umdenken und die Möglichkeit eines Neubeginns. Wir brauchen die Wirtschaft, und weil wir sie brauchen, muss alles dafür getan werden, dass sie optimal funktioniert. Für ein langfristig angelegtes Erfolgsmodell ist nachhaltiges Denken und Handeln in wirtschaftlichen Angelegenheiten unerlässlich, es ist somit keine Frage der Moral, sondern eher eine des Nutzens.
Bei meiner Arbeit als Unternehmensberaterin in Strategie-, Führungs- und Nachhaltigkeitsfragen bemerke ich oft, dass kleine Firmen, meistens Familienbetriebe, eher soziale und ökologische Verantwortung zeigen als große Konzerne. Sie handeln nachhaltig aus Überzeugung. Das heißt natürlich nicht, dass die Profitoptimierung in den Hintergrund treten muss. Ein Unternehmen muss wirtschaftlich funktionieren, denn das ist seine Existenzgrundlage. Konkurs und Mitarbeiterentlassungen aufgrund von Unwirtschaftlichkeit sind das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Deshalb muss eine ausgeglichene Unternehmensphilosophie gewahrt bleiben. Bei großen Konzernen ist diese ursprüngliche Philosophie in der Regel verloren gegangen. Sie sind riesig und unüberschaubar geworden. Die Manager interessieren sich nur noch für die Rendite und den Reingewinn.
Der Aktienwert börsennotierter Unternehmen steht im Fokus des Interesses. Mit steigenden Kursen wachsen auch die Boni der Top Manager. Und dann haben wir statt einem „ecosystem“ ein „Egosystem“. Bei diesen Firmen spielen nachhaltige Strategien höchstens in der Öffentlichkeitsarbeit eine Rolle, mit dem Zweck, das Image der Firma zu pflegen. Dass so ein Wirtschaftsmodell der kurzfristigen Profitmaximierung nicht langfristig tragbar ist, hat sich zum Beispiel bei dem Spielzeugskandal im letzten Sommer gezeigt. Der Branchenriese Mattel musste gefährliches Spielzeug, das in China produziert wurde, zurückrufen. In den Produkten wurden bleihaltige Farben entdeckt, die für Kinder extrem gefährlich sind. Kritikloser Einkauf zu Niedrigstpreisen, basierend auf schlechten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen der Arbeitnehmer und billigem, nicht sorgfältig geprüftem Material, führt zu einem qualitativ minderwertigen Endprodukt. Der finanzielle Verlust durch Imageschaden und Rückrufaktionen lässt dann nicht lange auf sich warten. Wirtschaftlich hingegen ist also in erster Linie Nachhaltigkeit.
Unter nicht nachhaltig produzierten Produkten leiden mittelfristig Unternehmer, Investoren, Arbeitnehmer und natürlich auch die Konsumenten. Auch das hat sich bei Mattel gezeigt, als die Menschen das vergiftete Spielzeug gekauft haben. Somit spielt der aktive Konsument bei nachhaltiger Entwicklung eine wichtige Rolle. Ein Konsument, der von den Möglichkeiten des Informationszeitalters profitiert, schützt sich vor minderwertiger Ware. Er kennt die Risiken und kann sein Kaufverhalten flexibel darauf abstimmen. Der mündige Verbraucher erkennt, dass Billigprodukte ihm mehr schaden als nutzen. So stärkt er den Markt für nachhaltig produzierte Waren, wodurch es für Unternehmen attraktiv wird, in innovative Nachhaltigkeitskonzepte zu investieren. Mündige und aktive Konsumenten machen den erhobenen Zeigefinger überflüssig, weil Nachhaltigkeit von beiden Seiten als eigenes Anliegen erkannt wird. Weder Unternehmer noch Verbraucher müssen extrem moralisch sein, um zu ihren wesentlichen Grundbedürfnissen zurückzufinden.
Dass diese Erkenntnis Garant eines wirtschaftlichen Erfolgsmodells ist, zeigt das Schweizer Beispiel der „Max Havelaar-Banane“. Diese Banane wird fair gehandelt und bekam dafür das Gütesiegel der Max Havelaar-Stiftung. Der Unterschied zu konventionell gehandelten Bananen besteht vor allem darin, dass knapp 30 Prozent und damit die Hälfte mehr als bei anderen Bananen ins Herkunftsland zurückfließen. Dass dies kein reines Gutmenschenprojekt ist, verdeutlicht die Tatsache, dass die Banane rund 50 Prozent Marktanteil im Schweizer Einzelhandel erzielt.
Protokolliert von Hanna Hageleit