Lesen statt beten

Freie Zeit. Was Menschen tun, wenn sie nichts zu tun haben (Ausgabe IV/2009)


Wie viele Bücherfreunde entdeckte auch Paul Opstrup, heute 56, als Jugendlicher seine Liebe zur Literatur: mit Hesses „Steppenwolf“. Als Student dann sehnte er sich vor lauter literaturwissenschaftlicher Theorie nach einem Ort, an dem man den Autoren und ihrem Schaffensprozess begegnen kann. Diesen Traum erfüllte Opstrup sich und anderen Bücherbegeisterten im Jahre 2005, als er im Kopenhagener Viertel Nørrebo in einer 115 Jahre alten ehemaligen Methodistenkirche das erste „LiteraturHaus“ Skandinaviens eröffnete.

Der deutsche Name, der bei manchem Gast Verwunderung hervorrufe, verweise darauf, dass Literaturhäuser eine deutsche Erfindung seien, so Opstrup, und sei gleichzeitig ein Tribut an die gemeinsamen Wurzeln dänischer und deutscher Kultur. In seinem Konzept spielt der Ort eine wichtige Rolle: Ein besonderes Gebäude sollte es sein, in dem die Literatur zu Hause ist. Diesen Platz fand Opstrup, als in seiner Straße eine ehemalige Kirche zum Verkauf stand. Die frühere Krypta wurde in ein Café verwandelt, dessen Einrichtung an „Großmutters gute Stube“ erinnert.

Durch die Gemütlichkeit soll ein Gemeinschaftsgefühl entstehen, denn ansonsten hält Opstrup die Perspektiven von Autor und Leser für „sehr isolierte Positionen“. Im „LiteraturHaus“ bietet Opstrup „Marathon­abende“ an, die ganz einem Schriftsteller gewidmet sind: Zu solchen Anlässen wird eine Speise angeboten, die mit Autor oder Werk in Verbindung steht, es werden Texte vorgelesen und Vorträge gehalten. Im großen Saal haben 150 Gäste Platz, im Café weitere 50. In der Zukunft soll es auch ein Arbeitszimmer für Autoren, ein Gästezimmer und einen Buchladen geben. Vielleicht wird Opstrup auch ein zweites Literaturhaus eröffnen. Eine weitere Kirche wurde ihm bereits angeboten, da die Verantwortlichen Gefallen an seinem Konzept fanden.



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