Technologie | Diversität

Licht und Schatten

Wie People of Color in Film und Fernsehen dargestellt werden – und was die Kameratechnik damit zu tun hat. Ein Gespräch mit dem Medienkünstler Musquiqui Chiyhing

Schwarzer Hintergrund. Links unten in der Ecke steht ein schwarzer Mann in hellgelbem fast weißen Judoanzug. Der Mann hat den Kopf eingezogen, seine Arme sind vor seinem Körper in Abwehrhaltung. Ihm gegenüber steht ein Leuchtstrahler, dessen Licht auf den Mann gerichtet ist.

Der Protagonist im Kampf gegen das Licht: Szene aus Musquiqui Chihyings Film „The Lighting“

Interview von Atifa Qazi

Herr Musquiqui, Ihr Film „The Lighting“ handelt davon, wie People of Color fotografiert und gefilmt werden und die Technik dabei eine diskriminierende Rolle spielt. Können Sie das genauer erklären?
Die meisten modernen Kameras sind für helle Umgebungen gemacht. Die Fokussierung und die Belichtung funktionieren bei Menschen mit dunklerer Haut deshalb nicht richtig. Das war bereits in den 1940er-Jahren ein Thema in der Filmindustrie. Denn das weibliche Model, das Kodak ursprünglich als Maßstab für die Entwicklung des Farbfilms verwendete, eine Frau namens Shirley, war eine Weiße. Dementsprechend gab es beim Filmen anderer Hautfarben natürlich immer wieder Probleme.

Das stellte unter anderem auch der kürzlich verstorbene Regisseur Jean-Luc Godard fest, als er in den 1970er-Jahren in Mosambik filmte. Schon damals wies er darauf hin, dass seine Kodak-Filme dunkelhäutige Menschen nicht farbgetreu abbildeten und dass die Technik nicht neutral, sondern rassistisch sei. In den Achtzigerjahren entwickelte Kodak dann eine bessere Version des Farbfilms namens „Kodak Gold“. Dieser wurde unter anderem für die Olympischen Spiele 1988 im südkoreanischen Seoul unter dem Slogan „True Colors“ beworben. Das Problem, dass dunkelhäutige Menschen meist nicht richtig belichtet werden können, bleibt jedoch in gewisser Weise auch heute noch bestehen – und das trotz aller digitalen Innovationen.

„Der Maßstab für die Entwicklung des Farbfilms war ein weißes Model namens Shirley“

Inwiefern?
Für dunklere Umgebungen oder dunkelhäutige Protagonistinnen und Protagonisten müssen die Blenden weiterhin meist manuell eingestellt werden. Das beeinträchtigt jedoch oft die Qualität des Bildes. Zudem werden in der Bildverarbeitung weiterhin oft Testbilder weißer Frauen benutzt. Zum Beispiel das Bild von Lena Forsén, einem Playmate aus den 1970er-Jahren. Weil die Branche also nicht nur weiß, sondern auch sehr männerdominiert ist, hat der soziale und technologische Bias beim Sprung von analog zu digital kaum abgenommen. Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, die Technik neutraler zu gestalten.

In Ihrem Film sprechen Sie vor diesem Hintergrund über ein chinesisches Smartphone, das besonders häufig in Afrika verkauft wird – und das Schwarze Menschen besser abbilden kann als andere Geräte.
Ja, während einer meiner Recherchereisen stieß ich in Togo auf ein Smartphone der chinesischen Firma TECNO. Das Unternehmen hatte erkannt, dass andere Firmen keine speziellen Funktionen für dunklere Haut anbieten. Also entwickelte es zusammen mit dem taiwanesischen Konzern MediaTek einen Algorithmus, mit dessen Hilfe sich dunklere Hauttypen besser erkennen und detailgetreuere Porträts Schwarzer Menschen erstellen lassen.

„Der Algorithmus wurde Schritt für Schritt darauf trainiert, Schwarze Gesichter zu erkennen“

Wie funktioniert das?
Ich habe dem Designer der Software genau dieselbe Frage gestellt. Er sagte: „Wenn man eine Kamera ein Gesicht erkennen lassen kann, dann kann man mit dem Bild alles machen, was man will.“ Am schwierigsten sei es jedoch, das Gerät dazu zu bekommen, das Gesicht überhaupt zu sehen. Und genau das habe er getan. Dafür legte er eine Datenbank mit den Gesichtern von People of Color an, die es in diesem Umfang vorher nicht gab. Sein Labor sammelte unzählige Bilder aus dem Internet, und selbst einige Angestellte des Unternehmens in Afrika fotografierten ihre Kundinnen und Kunden, um die Datenbank zu erweitern. So wurde der Algorithmus Schritt für Schritt darauf trainiert, Schwarze Gesichter zu erkennen. Der Softwareentwickler musste für seine Arbeit nicht einmal selbst nach Afrika reisen.

Halten Sie das für eine positive Entwicklung?
Aus rein technischer Sicht ja. Immerhin hat man einen Algorithmus verbessert, der vorher nicht gut funktionierte. Trotzdem muss man sich auch hier mit Fragen zum Thema Rassismus und Diskriminierung beschäftigen. Zum Beispiel, weil TECNO in Werbespots gerne betont, dass der neue Algorithmus die Haut heller und „schöner“ mache. Das eine Problem ist die Kameratechnik, das andere Problem ist, dass noch immer suggeriert wird, weiße Haut wäre „besser“.

„Seit jeher verfolgen wir eine Ideologie des Lichts“

Das Problem sind also nicht nur die Technologien, sondern die Menschen, die sie entwickeln?
Ja, denn wenn ein Algorithmus erst einmal programmiert ist, dann funktioniert er in der Regel perfekt. In gewisser Weise ist er wie ein Kind: Füttere ich ihn mit Vorurteilen, dann nimmt er die Welt verzerrt wahr. Gebe ich ihm jedoch genügend Daten, dann entwickelt er ein realistisches Gefühl für seine Umgebung. In meinem Film sprechen eine togolesische Fotografin und zwei Fotografen über Diskriminierung und Kameratechnik. Die eine sagt, die Kamera sei rassistisch, der zweite erklärt, das Problem sei die falsche Nutzung der Kamera, und der dritte kritisiert die Filmproduktionen.

Ich selbst denke mittlerweile, dass das Problem schon mit unserer Grundeinstellung zu tun hat. Also mit der Tatsache, dass wir seit jeher einer Ideologie des Lichts folgen. Denn wenn wir in einem dunklen Raum sitzen und etwas nicht klar sehen können, meinen wir automatisch, wir müssten das Licht einschalten. Das ist die Prämisse der heutigen Fotografie. Dabei könnte es ja auch von Anfang an ganz anders sein. Warum sollte es nicht normal sein, bei reduziertem Licht zu fotografieren?

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass westliche Kamera- und Smartphone-Hersteller nicht schon früher einen Algorithmus entwickelt haben, der dunklere Hauttöne korrekt abbilden kann?
Bei solchen Entwicklungen geht es vor allem um Märkte, Kunden und Kapital – und davon gab es für diese Technologie bislang nicht genug. Erst vor Kurzem hat mir ein Ingenieur jedoch erzählt, dass Apple mittlerweile an ähnlichen und noch leistungsstärkeren Algorithmen arbeitet. Und Google wollte dieses Problem bereits 2019 lösen. Allerdings mit äußerst fragwürdigen Mitteln: Damals versuchte das Unternehmen, Daten zu sammeln, indem man Schwarzen Obdachlosen ein Handy gab und sie darum bat, ein Spiel auf dem Gerät zu spielen.

„Diese Kamera bildet sowohl dunklere als auch hellere Hauttöne sehr detailgetreu ab“

Dabei wurden jedoch ohne das Einverständnis der Menschen per Kamera Informationen über ihr Gesicht gesammelt. In der Filmbranche hat der Hollywood-Streifen „Black Panther“, der 2018 vornehmlich mit Schwarzen Darstellerinnen und Darstellern gedreht wurde, wiederum einiges verändert. Bei der Produktion kam eine Kamera der deutschen Firma ARRI zum Einsatz, die man zwei Jahre zuvor auch schon bei dem Film „Moonlight“ verwendet hatte. Diese bildet sowohl dunklere als auch hellere Hauttöne sehr detailgetreu ab. Das ist einerseits erfreulich, andererseits zeigt es aber, wie relevant das Thema auch in Hollywood noch ist – und dass es in den letzten Jahrzehnten kaum diskutiert wurde.

„The Lighting“ endet etwas überraschend mit einer Kung-Fu-Sequenz, die von einem Schwarzen Schauspieler in der Hauptrolle gespielt wird. Was steckt hinter dieser Szene?
Ich habe diesen Film nicht nur gemacht, um die Unterschiede zwischen digitalen und analogen Kameras zu untersuchen und zu zeigen, wie sie People of Color darstellen, sondern auch, um ein bisschen an das Goldene Zeitalter des asiatischen Films zu erinnern. Bruce Lee war vor diesem Hintergrund in Sachen „race“ schon immer eine wichtige Figur. In seinen Filmen geht es darum, Weiße zu verprügeln. Deshalb ist er in Afrika auch so beliebt. In unserem Kung-Fu-Film ist aber „das Licht“ der Feind.

Das Interview führte Atifa Qazi

Aus dem Englischen von Claudia Kotte

Anmerkung: Wir schreiben das Adjektiv »Schwarz« in diesem Text groß, weil der Interviewte es als sozialpolitische Kategorie benutzt.