Literatur | Großbritannien

„Ich wollte Schwarze Autorinnen ins Rampenlicht rücken“

Vor über fünfzig Jahren fing Margaret Busby an, die Literaturszene Großbritanniens umzukrempeln: als erste Schwarze Verlegerin des Landes. Fertig ist sie damit noch lange nicht
Das Foto ist schwarz-weiß. Die junge Margaret Busby sitzt hinter ihrer Schreibmaschine, sie gestikuliert mit den Händen. Neben ihr im Aschenbecher steigt Rauch von einer Zigarette auf.

Margaret Busby an ihrem Schreibtisch in London 1971

Frau Busby, als Sie 1967 den Verlag Allison & Busby gründeten, waren Sie die jüngste und die erste Schwarze Verlegerin in Großbritannien. Wie kam es dazu?

Ich war Anfang zwanzig, als ich mit meinem Geschäftspartner Clive Allison den Verlag gründete. Er war ein weißer Mann, ich eine Schwarze Frau. Für uns spielte das keine große Rolle, aber wir verstießen gegen die Regeln.

Unter den Presseausschnitten von damals, die ich aufgehoben habe, gibt es einen Artikel mit der Schlagzeile „Girl from Ghana goes into Publishing“. Über die Bücher, die ich herausbrachte, stand darin kein Wort. Implizit lautete die Botschaft: „Schau an – eine Afrikanerin, die lesen kann!“

Damals waren solche Vorurteile fest in der Gesellschaft verankert. Aus Bibliotheken in Südafrika wurden Bücher von Allison & Busby allein deswegen verbannt, weil wir ein ethnisch gemischtes Team waren.

Sie ließen sich trotzdem nicht beirren ...

Für mich war immer klar: Du musst machen, woran du glaubst. Clive Allison und ich verdienten unseren Lebensunterhalt bei anderen Verlagen. Ich war außerdem für den Afrika-Service der BBC tätig. Abends und an den Wochenenden arbeiteten wir für unseren eigenen Verlag in Soho.

Wir gaben Gedichte in preiswerten Ausgaben heraus, die für junge Leute wie uns bezahlbar waren, oder verlegten gute Bücher, die vergriffen waren, neu. Und wir entdeckten neue Autorinnen und Autoren.

„Schwarze kamen in meinem Studium weder als literarische Figuren noch als Autorinnen oder Autoren vor.“

Wie wurde die Lebenswirklichkeit von Schwarzen und speziell von Schwarzen Frauen damals in der Belletristik dargestellt?

In den meisten Büchern tauchten sie einfach gar nicht auf. Ich wurde in Ghana geboren, ging aber in Großbritannien zur Schule und habe an der University of London Englisch studiert. Schwarze kamen in meinem Studium weder als literarische Figuren noch als Autorinnen oder Autoren vor.

Ich musste mich also selbst auf die Suche machen und verbrachte viel Zeit in Antiquariaten. Nach dem Uni-Examen entdeckte ich Autorinnen wie Toni Morrison, die einmal gesagt hat: „Wenn es ein Buch gibt, das du lesen möchtest, aber es wurde noch nicht geschrieben, musst du es selbst schreiben.“

Das war in den 1970er-Jahren. Vor allem in den USA tauchten damals Schwarze Schriftstellerinnen auf der Bildfläche auf, aber man konnte sie an einer Hand abzählen: Alice Walker, Maya Angelou, Terry McMillan.

Ließen Sie sich auch von diesem Ausspruch leiten, als Sie 1992 „Daughters of Africa“ herausbrachten?

Ich wollte talentierte Frauen ins Rampenlicht rücken, die oft niemand kannte. „Daughters of Africa“ spannte einen Bogen vom alten Ägypten bis in die Gegenwart und sollte zeigen, dass es Literatur aus einer Schwarzen und weiblichen Perspektive nicht erst seit den 1970er- und 1980er-Jahren gibt. Schwarze Frauen sind seit Jahrhunderten kreativ und es gibt eine lange Tradition der Dichtung Schwarzer Autorinnen.

„Daughters of Africa“ gilt als ein Meilenstein. War die Anthologie auch Ansporn für eine neue Generation von Autorinnen?

Einige Autorinnen, die im zweiten Band vertreten sind, kamen nach eigener Aussage dadurch zum Schreiben, dass sie den ersten Band gelesen hatten. Eine von ihnen erzählte mir: Als sie zu schreiben anfing, schienen die meisten afrikanischen Autorinnen Nigerianerinnen zu sein.

Um ihr Buch bei einem Verlag unterzubringen, habe sie sich deshalb als Nigerianerin ausgegeben. „Daughters of Africa“ machte ihr Mut, aus der eigenen Perspektive zu schreiben und nicht zu meinen, sie müsse in irgendein Schema passen.

Geografisch bilden beide Bände ein breites Spektrum ab – mit Stimmen aus Afrika, den USA und Großbritannien, aber auch aus der Türkei, Australien, Brasilien, Kuba und vielen anderen Ländern.

„Die Schriftstellerinnen bilden eine Art Kette, unterstützen und beeinflussen sich gegenseitig.“

Wurde durch diese Vielstimmigkeit der Gedanke einer singulären afrikanisch-Schwarzen Geschichte infrage gestellt?

Der Umgang der Verlagswelt mit Schwarzen Autorinnen und Autoren – nicht nur mit Frauen – wurde von allen möglichen Stereotypen bestimmt. Manche bekamen auf der Suche nach einem Agenten zu hören: „Tut uns leid, eine Schwarze Schriftstellerin haben wir schon.“

Die Britin Andrea Levy, die als Tochter jamaikanischer Eltern in London zur Welt kam, wurde von einem Agenten gefragt, ob sie denn irgendetwas Spektakuläres oder Illegales gemacht habe. Damals brauchte man die richtige Backstory – ein gutes Buch geschrieben zu haben, reichte nicht.

Vor einiger Zeit brachten Sie die neue Anthologie „New Daughters of Africa“ heraus.

Die neue Anthologie ist ganz anders geartet. Keine der Autorinnen war im ersten Band vertreten. Ich schickte E-Mails an alle, die in der ersten Ausgabe dabei waren, und bat sie, Kolleginnen für den neuen Band vorzuschlagen. Es entstand eine Art Dominoeffekt.

Alle verzichteten auf ihr Honorar, weil sie bei dem Projekt dabei sein wollten. Das hat mich beeindruckt. Zusätzlich riefen wir den „Margaret Busby New Daughters of Africa Award“ ins Leben. Dieses Gemeinschaftsprojekt der Verlage, der vertretenen Autorinnen und der Londoner School of Oriental and African Studies (SOAS) ermöglicht einer Studentin aus Afrika das Studium an der Universität von London.

Die erste Preisträgerin war Idza Luhumyo aus Kenia, die 2022 auch den Caine Prize For African Writing erhielt. Das zeigt: Die Schriftstellerinnen bilden eine Art Kette, unterstützen und beeinflussen sich gegenseitig. Dass die Autorinnen aneinander anknüpfen und sich inspirieren, gefällt mir an beiden Anthologien besonders gut.

Teils sind sie auch befreundet oder gehören sogar zu derselben Familie wie Zadie Smith und ihre Mutter Yvonne Bailey- Smith, die früher Familientherapeutin war und inzwischen ebenfalls Autorin ist.

„In der Verlagswelt ist heute viel von „Diversität“ und „Inklusivität“ die Rede.“

Wie wichtig war es für Sie, in dem neuen Band ein breites Spektrum von Nationalitäten, Generationen und Schreibstilen abzubilden?

Der Platz war begrenzt und das Angebot, aus dem ich auswählen konnte, riesig. Das Buch ist so schwer, dass es sich auch als Türstopper oder als – allerdings nicht ganz billige – Waffe eignet! Doch Scherz beiseite: Das Buch hätte ohne Weiteres dreimal so dick sein können.

Schlussendlich rücke ich diese Frauen in den Fokus, aber für die Leserinnen und Leser gibt es noch viele weitere Autorinnen zu entdecken. Mir war wichtig: Ich wollte historisch ein breites Textspektrum anbieten, aber ich würde niemals Autorinnen aus einem bestimmten Land nur deswegen ausschließen, weil dieses Land schon ausreichend vertreten ist.

Ich musste mich mit einigen Sachzwängen arrangieren. Zum Beispiel spreche ich nicht alle Sprachen, die in dem Buch vertreten sind –, darunter viele afrikanische Sprachen – und war deshalb auf Übersetzungen angewiesen. Es gab auch Überraschungen: Einige Romanautorinnen schickten mir als Antwort auf meine E-Mail Gedichte.

Es gab allerhand Zufallsentdeckungen. Spannend fand ich, dass viele Texte sich gegenseitig zum Schwingen bringen. Deshalb enthält das Buch thematisch viele Querverbindungen, die gar nicht geplant waren.

Der neue Band erschien 2019, mehr als ein Vierteljahrhundert nach der ersten Ausgabe. Hat das Verlagswesen sich in dieser Zeit verändert oder ist das Engagement für Diversität oft nur ein Lippenbekenntnis?

In der Verlagswelt ist heute viel von „Diversität“ und „Inklusivität“ die Rede. Es gibt viele gute Verlage und vor allem unabhängige Kleinverlage, die Bücher einfach deshalb herausbringen, weil es gute Bücher sind. Andere versuchen, dem Trend gerecht zu werden und mehr diverse Autorinnen und Autoren ins Programm zu nehmen.

Manche Bücher werden gemacht, weil sie bestimmte Kriterien erfüllen und nicht, weil ihre literarische Qualität so hoch ist. Ich würde mir wünschen, dass in der Branche Mitarbeitende mit unterschiedlicheren Blickwinkeln und Erfahrungshorizonten eingestellt werden.

Vor einigen Jahren lernte ich auf der Londoner Buchmesse eine Südafrikanerin kennen. Sie sagte, ich sei für sie der Grund gewesen, Verlegerin zu werden. Dass auch Verlegerinnen sich gegenseitig inspirieren, hat mich sehr berührt.

„Wir können unser eigenes Zentrum sein.“

Gibt es eine Tendenz, dass Bücher von Schwarzen Autorinnen, die im Westen leben, eher verlegt werden als Bücher afrikanischer Autorinnen?

Da besteht eine Schieflage. Ich wünsche mir, dass es in Afrika oder in der Karibik eines Tages genügend Verlage gibt, die Bücher einheimischer Autorinnen herausbringen. Vielleicht müssen wir durch mehr Kooperation auch den internationalen Vertrieb erleichtern.

Viele afrikanische Schriftstellerinnen glauben, dass sie die nötige Anerkennung und Aufwertung nur erfahren, wenn ihre Bücher in London oder New York erscheinen. Einige Autorinnen standen immer am Rand und haben das Gefühl, dass sie sich zum Zentrum hinbewegen müssen. Doch wir können unser eigenes Zentrum sein.

Planen Sie eine dritte Ausgabe von „Daughters of Africa“?

Ich hoffe, dass es eines Tages keine Anthologien mehr braucht, um den Rahmen abzustecken – und dass gute Bücher bei jedem beliebigen Verlag erscheinen und Herkunfts- oder Identitätsfragen dabei keine Rolle spielen. So weit sind wir aber noch nicht.

Unter den gegebenen Umständen würde ich gerne eine weitere Anthologie machen. Viele Autorinnen bekommen immer noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Das gilt für lebende Autorinnen und auch für viele Generationen bereits verstorbener, die bisher übersehen wurden. Da gibt es ein riesiges Reservoir.

„Daughters of Africa“. Herausgegeben von Margaret Busby. Jonathan Cape, London, 1992.
„New Daughters of Africa“. Herausgegeben von Margaret Busby. Myriad Editions, Brighton and Hove, 2019.
„Neue Töchter Afrikas“. Herausgegeben von Christa Morgenrath und Eva Wernecke. Unrast Verlag, Münster, 2023.

Das Interview führte Jess Smee. Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld