Eine Isomatte aus Plastiktüten
Debbie Barberee und Holly Cypret aus Florida verwandeln Plastiktüten in Matratzen zum Schlafen. Ein Gespräch
Sie häkeln Isomatten aus Plastiktüten. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Debbie Barberee: In Amerika gibt es viele Gruppen, die solche Matten herstellen. Sie werden aus gebrauchten Plastiktüten gehäkelt. Wir häkeln die Schlafmatten in unserer Gruppe und verschenken sie an Obdachlose. Zum ersten Mal habe ich das in Tennessee gesehen. In einem kleinen Restaurant, an dem ich hielt, als ich unterwegs war, sah ich in einem Hinterzimmer ein paar Leute sitzen und eifrig werkeln. Ich fragte aus Neugier, was sie da machen, und sie zeigten mir, wie man die Matten herstellt. Zurück in Florida habe ich eine eigene Gruppe gegründet. Insgesamt sind wir 850 Frauen, von denen ungefähr zehn jede Woche zu unserem Häkel-abend in die Stadtbibliothek kommen. Das läuft bestens. Wir verteilen die Matten – wir nennen sie auch „Mercy Mats“ – dann an Obdachlose. Inzwischen gibt es das Schlafmattenhäkeln seit vielen Jahren. Die Machart stammt nicht von uns, sondern wohl aus Indien.
Welche Materialien verwenden Sie?
Barberee: Wir verwenden Plastiktüten – und zwar in großen Mengen. Für eine Matte brauchen wir etwa 700 Tüten und hundert Arbeitsstunden. Wir schneiden die Plastiktüten in Streifen, die wir anschließend zusammenbinden. So entsteht ein Kunststoffgarn, das wir „plarn“ nennen – unser Kurzwort für „plastic yarn“. Unsere Arbeit nennen wir deshalb „plarning“. Wir können die Matten auch farbig gestalten. Dafür brauchen wir Tüten in den entsprechenden Farben. In den Läden hier vor Ort gibt es nur braune, graue und gelbe Tüten, manchmal auch weiße mit rotem oder blauem Aufdruck. Deshalb bekommen wir manchmal kartonweise Einkaufstaschen von anderswo, um die richtige Farbe zu bekommen. Wir häkeln ganz klassisch, aber benutzen Plastikstreifen statt Wolle.
Holly Cypret: Erst einmal glätten wir die Tüten und schneiden sie in Streifen. Viele von uns nehmen die Tüten auch mit nach Hause und überlegen sich eine Farbe oder ein Muster. Jede Häklerin gestaltet ihre Matten ganz individuell.
Barberee: Plastik eignet sich prima als Material. Erstens: Was wir verhäkeln, landet nicht auf der Müllkippe oder im Meer. Zweitens: Jede Matte beschert jemandem einen bequemen Schlafplatz für die Nacht. Für uns ist auch die soziale Komponente wichtig. Wir nennen uns „Die Tüten-Ladys“. Eine Matte zu häkeln, ist ziemlich einfach, aber extrem zeitraubend. Deshalb machen wir das am liebsten als Gruppe und unterhalten uns beim Häkeln über Gott und die Welt.
Cypret: Die meisten von uns sind in Rente. Und inzwischen sind wir eng befreundet. Unsere Gruppe hat auch schon Nachahmer gefunden. Manchmal kommen Interessierte zu uns, lassen sich zeigen, wie man die Matten herstellt, und tragen die Idee dann weiter.
Wie kommen Ihre Matten bei Obdachlosen an oder bei anderen Menschen, die sie benutzen?
Cypret: In unserer Gegend gibt es viele Menschen, die auf der Straße leben oder im Wald. Manche haben Zelte, viele andere aber auch nicht. Einmal habe ich beim Einkaufen einen Mann getroffen, der jede Nacht auf einer unserer Matten schläft – er war ganz begeistert.
Barberee: Die Matten sind ausgesprochen praktisch. Sie sind bequem, lassen sich leicht transportieren und isolieren gegen die Kälte. Wenn sie schmutzig sind, spritzt du sie mit einem Wasserschlauch ab und lässt sie in der Sonne trocknen. Wenn es regnet, kann du dich unter der Matte verkriechen und bleibst trocken. Im Sommer spannen manche sie sogar zwischen zwei Bäume und nutzen sie als Hängematte. Außerdem hält die Matte Insekten fern. Man kann auf diesen Matten im Freien schlafen und wird weder von Ameisen noch von Krabbelkäfern behelligt. Im Oktober feiern wir unser sechsjähriges Jubiläum – so lange treffen wir uns schon zum Mattenhäkeln. Bis jetzt haben wir 2.234 Stück verteilt. Wir sind echt stolz auf unsere Gruppe – und machen weiter!
Das Interview führte Jess Smee
Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld