Wasser | Klimawandel

„Wasser ist für mich ein Spiegel“

Dürren, Waldbrände, Überflutungen: Unkontrolliert steuert die Menschheit auf Klimakrisen zu. Mit seiner Fotoserie zum Thema Wasser hält Mustafah Abdulaziz uns den Spiegel vor. Ein Gespräch
Drei Menschen stehen auf einer Wasserfläche.

Menschen am Strand von Mount Martha, Australien. Für eine fotografische Serie über das Wasser besuchte der Fotograf Mustafah Abdulaziz Orte, an denen unser nachlässiges Verhältnis zu dieser lebenswichtigen Ressource offensichtlich wird. 

Ein etwa zwei Meter breites, rundes Feuer brennt, daneben steht ein Mann. Im Hintergrund sieht man den Ganges und eine Brücke, die ihn überspannt.

Ein Scheiterhaufen am Ufer des Ganges in Allahabad, Indien, 2013

Herr Abdulaziz, warum haben Sie für Ihre Serie das Thema Wasser gewählt?
Wasser ist für mich ein Spiegel. Es macht sichtbar, wie unselig und scheinheilig der Mensch im 21. Jahrhundert mit der Natur umgeht. Ich habe eine enge Beziehung zum Wasser. Und wenn ich etwas sehe, das mir wichtig vorkommt, will ich es mit meinen Mitteln ins kollektive kulturelle Bewusstsein bringen. Dabei habe ich nicht nur das Hier und Jetzt, sondern auch die Zukunft vor Augen.

Denn eines Tages werden wir zurückblicken und uns fragen: „Warum waren wir so dumm und wollten nicht wahrhaben, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern?“ Die Menschheit taumelt blindlings durch das Anthropozän, berauscht von sich selbst und ihren Fähigkeiten. Dabei ist sie unfähig, ihre ökologischen und sozialen Probleme zu lösen und entpuppt sich zunehmend als pathologisch denkfaul.

Ein Schwarzer Mann kniet mit geschlossenen Augen, ihm wird Wasser über den Kopf gegossen als Zeichen der Taufe. Im Hintergrund stehen Männer mit weißem Turban.

Sonntagsgottesdienst der Church of the Whole World in Kapstadt, Südafrika, 2018

Wie viele Länder haben Sie für Ihre Serie bereist?
Die Liste ist zu lang, um sie hier aufzuzählen, und sie wird immer länger. Viele der von mir besuchten Länder leiden unter Dürren und Waldbränden – den Vorboten kommender Klimakrisen. Allein die Mühe, täglich mehrere Stunden dafür aufzubringen, sauberes Wasser zu besorgen, beraubt viele Frauen und Kinder jedweder Bildungs- und Aufstiegschancen. Wasser ist für das Leben auf unserem Planeten eine absolut essenzielle Ressource. Merkwürdigerweise fühlt sich niemand so richtig dafür verantwortlich.

„Sie betreiben hemmungslos Raubbau an der Natur und kaschieren ihn mit geschickten PR-Kampagnen“

Momentan fotografieren Sie in der Arktis. Wie ist es dort zu arbeiten?
Extrem schwierig. Der Kostenaufwand ist noch das geringste Problem. Es geht viel eher um den Zeitaufwand und mein seelisches Wohlbefinden. Es kann einen deprimieren, selbst an einem so schönen und an sich abgeschiedenen Ort wie der Arktis zu sehen, welche weiten Wege Menschen in vielen Phasen der Geschichte zurückgelegt haben, um andere Länder und Völker zu berauben und auszubeuten. Was die Menschen und die Industrie hier aktuell anrichten, ist irrsinnig. Sie betreiben hemmungslos Raubbau an der Natur und kaschieren ihn mit freundlichen Firmenlogos und geschickten PR-Kampagnen.

Ein nasser Sandstrand am Übergang zum Meer, ein Schiff liegt auf der Seite und wird von der glatten Fläche gespiegelt. Auf das Deck hat jemand einen Weihnachtsbaum gemalt und Happy Holidays geschrieben.

Folgen des Hurrikans Michael in Panama City, Florida, USA, 2018

Es geht mir in meiner Arbeit aber nicht primär darum zu urteilen. Hier in der Arktis, an den Randzonen der menschlichen Existenz, mache ich mit den Mitteln der Fotografie vergleichend, kontrastierend und aufklärend sichtbar, wie absurd wir uns verhalten, wie offensichtlich wir unseren Planeten zerstören! Wir alle machen eh pausenlos Selfies. Also haben wir es auch verdient, dass uns in diesem Fall der Spiegel vorgehalten wird und wir uns das, was wir anrichten, genauer anschauen müssen.

Würden Sie sagen, dass die Arbeit in der Arktis ihr Selbstverständnis als Fotograf verändert hat?
Die Erkenntnis, die sich am tiefsten bei mir einprägt, wenn ich allein in der Arktis bin, ist die: Es genügt nicht, dass ich etwas sehe; ich muss auch danach handeln. Dass ich diese Arbeit tun kann, ist ein ganz großes Glück. Ich mache sie nicht für mein Ego oder um viel Geld damit zu verdienen, sondern weil ich meine Mitmenschen aufrütteln möchte. Das geht mir durch den Kopf, wenn ich allein bin und niemand zuschaut. Eigentlich ständig.

Das Interview führten Cécile Calla und jess Smee