Botschaft von unten
Brummen, Summen, Quietschen: Unter der Erde ist es erstaunlich laut. Was uns diese Geräusche über die Böden verraten
Jeder Boden klingt anders. Es kommt darauf an, ob man im Wald ist, auf einem Acker oder irgendwo in der Stadt.
Auf diese Klangvielfalt bin ich ganz zufällig gestoßen. Als Wissenschaftler und Klangkünstler interessiere ich mich für akustische Ökologie. In meiner Arbeit mache ich Naturphänomene hörbar, die man normalerweise nicht hören kann, und zeige damit problematische Zusammenhänge auf.
Auch der Klimawandel macht Geräusche, wenn man an der richtigen Stelle hinhört: Alarmsignale wie die Trockenstressgeräusche der Bäume kann man akustisch aufzeichnen. Und nach langen Trockenperioden wird die ganze Landschaft still.
Vor einiger Zeit war ich für ein Forschungsprojekt im Wallis in der Schweiz. Aus reiner Neugier steckte ich den Sensor meines hochsensiblen Mikrofons in den Boden einer Wiese – und war völlig fasziniert. Tagelang blieb ich dort sitzen und habe zugehört, wie sich mir ein komplett unbekanntes Reich fremdartiger Geräusche aufgetan hat: seltsame Zirplaute, ein Singen und Brummen.
Ich musste wissen, woher die Geräusche kamen. Und ich habe schnell gemerkt, dass die „Soundscape“, also die Klangwelt des Bodens, noch komplett unerforscht ist. Das war der Anfang meines Forschungs- und Kunstprojekts „Sounding Soil“.
„Die Bodentiere bewegen sich, sie fressen und reden auch miteinander“
In meinen Aufnahmen hört man die Meso- bis Makrofauna, also die mittleren bis größeren Bodentiere, die in der oberen Streuschicht des Bodens leben. Das ist eine wichtige funktionale Gruppe im Bodensystem, weil diese Bodentiere die primären Zersetzer sind. Ein gesunder Boden braucht sie.
Die Bodentiere bewegen sich, sie fressen und reden auch miteinander. Die Roten Gartenameisen machen beispielsweise interessante Geräusche mit ihrem Oberkiefer – das klingt wie ein Quietschen.
Für mich sind diese Kommunikationslaute der faszinierendste Teil meiner Forschung. Man hört auch physikalische Geräusche, etwa, wie sich Wasser durch den Bodenraum bewegt oder an der Oberfläche verdunstet. Und natürlich menschlichen Lärm: Straßen, Baustellen und sogar Fluglärm hört man unter der Erde kilometerweit.
Ich habe in ganz verschiedenen Landschaften Bodenaufnahmen gemacht. Die menschliche Bewirtschaftung spielt eine große Rolle, aber auch die Art des Ökosystems. Die meisten Geräusche hört man unter Wiesen, denn sie haben eine dicke organische Schicht, in der die Aktivität der Bodentiere sehr groß ist. Die zweitmeisten Geräusche gibt es im Wald.
Dann unter intensiv bewirtschaftetem Grasland und an letzter Stelle steht intensiv bewirtschaftetes Ackerland, da ist es nämlich plötzlich sehr still. In Städten hört man dagegen oft überraschend viel. Auch dort gibt es Nischen, in denen die Bodenfauna reichhaltig ist.
„Unter intensiv bewirtschaftetem Ackerland ist es plötzlich sehr still“
Mein Forschungsprojekt besteht aus drei Teilen: Wissenschaftlich weisen wir nach, dass Biodiversität im Boden akustisch messbar ist. Wir bringen die Vielfalt einer Aufnahme in Zusammenhang mit der tatsächlichen Biodiversität, die in Bodenproben nachgewiesen wurde.
Im zweiten, künstlerischen Teil des Projekts entwickle ich aus den Bodenaufnahmen Klanginstallationen. Und im dritten Teil geht es um die Sensibilisierung der allgemeinen Öffentlichkeit.
Es ist wichtig, so etwas Abstraktes wie die Effekte des Klimawandels oder mangelnde Bodengesundheit unmittelbar erfahrbar zu machen. Denn die Geräusche des Bodens sind nicht hörbar, wenn man einfach sein Ohr auf den Boden legt. Sie müssen verstärkt werden.
Aber wenn man sie dann hört, erzeugt das eine gewisse Intimität, die Dinge rücken einem auf den Leib. Umweltprobleme verwandeln sich plötzlich in eine reale Erfahrung. Und das ermöglicht den Menschen eine neue Beziehung zu ihrer Umwelt.