Das Kulturprogramm der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 dreht sich um Vielfalt in Europa

Der Zukunft zuhören

Der „Earth Speakr“ des Künstlers Olafur Eliasson sammelt Sprachnachrichten von Kindern und Jugendlichen aus ganz Europa. Er gehört zum Kulturprogramm der deutschen Ratspräsidentschaft 2020, in dem ganz um europäische Vielfalt geht

von Cécile Calla 

Gerade jetzt ist es wichtig zu zeigen, dass die Europäische Union mehr als eine Wirtschaftsunion darstellt und den europäischen kulturellen Raum nicht aus dem Blick verliert. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat eine Reihe von Projekten in Zusammenarbeit mit Partnern in den EU-Mitgliedstaaten konzipiert, die sich der kulturellen Vielfalt Europas und der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit widmen – sei es etwa in Debatten über den Einfluss Künstlicher Intelligenz, durch die Erarbeitung klimaneutraler Reisekonzepte oder durch aufsehenerregende Installationen in europäischen Städten. Ein Blick auf drei dieser Projekte:

Kernstück des Kulturprogramms bildet „Earth Speakr“, auf Deutsch „Sprecher der Erde“, ein interaktives und EU-weites Kunstwerk des in Berlin lebenden dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson. Auf einer digitalen Plattform können junge Menschen per App einem Gesicht den gewünschten Ausdruck verpassen, in ein von ihnen aufgenommenes Motiv projizieren und passende Sprachbotschaften über das Wohlergehen des Planeten oder die Zukunft Europas hinterlassen.

So können Erwachsene und Entscheidungstragende hören, was junge Menschen aus ganz Europa zu sagen haben. Seit dem 1. Juli 2020 erscheinen die vielfältigen und kraftvollen Botschaften der Kinder und Jugendlichen auf der virtuellen Landkarte von „Earth Speakr“. Um mitzumachen, muss man die „Earth-Speakr“-App herunterladen, die Sprachnachrichten kann man auf der Webseite hören und sehen.

Nicht virtuell, sondern zum Anfassen ist die Installation „Verschwindende Wand“. Das Kunstwerk besteht aus einem Plexiglasgerüst, in das rund 6.000 Holzklötze mit Zitaten der europäischen Hoch-oder Popkultur eingesetzt werden. Nach der Enthüllung der Installation haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, Zitatklötze mitzunehmen. Zurück bleibt nur noch das durchsichtige Plexiglasgitter, in dem sie sich befanden: Die Wand ist verschwunden.

Die „Verschwindende Wand“ wird an zentralen Orten in zehn europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien/Nordirland, Polen, Litauen, Spanien, Italien, Griechenland und Zypern) zu sehen sein. Die Installation macht ab dem 24. August erstmals Station in Posen, letzte Station soll in Barcelona am 14. November 2020 sein. Die interaktive Wandinstallation „Verschwindende Wand“ geht zurück auf eine Idee von Maria Yablonina in einem von dem Architekten und Ingenieur Werner Sobek durchgeführten und vom Goethe-Institut initiierten Workshop.

Ebenfalls bemerkenswert ist das Projekt „Faces of Europe“ des Fotokünstlers Carsten Sander mit eintausend Porträts von Europäerinnen und Europäern mit unterschiedlichen ethnischen und sozialen Hintergründen. Dieses zutiefst menschliche Panorama hebt gleichzeitig die Vielfalt und die friedliche Koexistenz der Menschen in Europa hervor. Dafür reist der Fotograf durch ganz Europa, um Menschen aus allen möglichen Schichten, Altersgruppen und Berufen zu fotografieren. Durch das Coronavirus wurde aus dieser Initiative ein Werk im Wachstum.

Als das mobile Studio aufbruchsbereit war, kam gleichzeitig der Moment, in dem in zahlreichen EU-Staaten eine Ausgangssperre verhängt wurde. Für den ersten Teil dieser Ausstellung wurden Angehörige aller EU-Staaten abgebildet, die in Berlin leben. Mitte Juni konnte endlich der Künstler seine Tour durch die EU beginnen, sodass diese Ausstellung Bild für Bild weiter wachsen wird. Sie hat mit dem Start der Ratspräsidentschaft im Brüsseler Justus-Lipsius-Gebäude begonnen. Weitere geplante Ausstellungsorte sind unter anderem Straßburg, Madrid, Luxemburg, Dublin, Warschau und Moskau.


Cécile Calla ist Redakteurin bei KULTURAUSTAUSCH und freie Journalistin für deutsch- und französischsprachige Medien.