Hocker aus Waschmaschinentrommeln
Wie aus weggeworfenen Haushaltsgeräten neue Möbel werden
Die Idee, alte Waschmaschinentrommeln für unsere Möbeldesigns zu benutzen, kam uns vor etwa zehn Jahren. Auf einer lokalen Ausstellung in Beirut sollten verschiedene Konzepte vorgestellt werden, die sich mit der Umwelt auseinandersetzen. Wir beschlossen, uns mit Upcycling zu beschäftigen, also mit der Aufwertung von etwas, das als wertlos gilt. Im Libanon gab es schon damals eine richtige Müllkrise. In Beirut waren alle Schrottplätze übervoll. Wir sind darum einfach auf den nächsten Schrottplatz gegangen, um zu sehen, was uns dort inspirieren könnte. Wir stießen auf einen riesigen Haufen von Waschmaschinentrommeln. Lea sah die Perforationen der Waschmaschine – und weil sie ein großer Fan von Näh- und Strickarbeiten ist, hatte sie sofort Lust, diese Löcher als eine Art Matrix für Stickarbeiten zu verwenden. So ging alles los.
Das größte Problem war, den Hocker stabil genug zu gestalten. Zuerst legten wir nur ein großes Kissen auf die Öffnung der Trommel – aber unsere Hintern sanken jedes Mal ein. Also gingen wir zurück auf den Schrottplatz. Der Libanon ist ein sehr heißes Land, wir Libanesinnen und Libanesen verbrauchen wie verrückt Ventilatoren. Darum war es wenig überraschend, dass wir auf dem Schrottplatz unzählige alte Ventilatorgehäuse gefunden haben, also das äußere, gitterartige Gehäuse, das sich rund um einen Standventilator befindet. Genau das fehlende Puzzleteil! Eine Hälfte eines solchen Ventilatorgehäuses passt perfekt auf die Waschmaschinentrommel, überzogen mit Schaumstoff sitzt man darauf sehr bequem.
Die Muster, die wir sticken, sind sehr orientalisch, aber auch osmanisch. Wir lassen uns von der lokalen libanesischen Architektur und der islamischen Kunst inspirieren
Künstlerisch ausgetobt haben wir uns beim Einfärben und Besticken der Waschmaschinentrommeln. Im Libanon kommen viele verschiedene Kulturen zusammen. Das Land wurde immer wieder von Großmächten überrannt, dabei sind unzählige kulturelle Referenzen hängen geblieben. Die Muster, die wir sticken, sind sehr orientalisch, aber auch osmanisch, inspiriert von der lokalen libanesischen Architektur und der islamischen Kunst. Auf diese Weise haben wir einen kleinen Teil unserer Herkunft und kulturellen Identität in den Hocker eingestickt.
Als Künstlerpaar aus dem Libanon waren wir sehr unsicher, wie die Leute auf unser Produkt reagieren würden, denn in Beirut ist es ein großes Tabu, Müll für irgendetwas zu nutzen. Die meisten Leute wussten damals gar nicht, was Upcycling bedeutet. Aber überraschenderweise wurde es ein großer Erfolg, wir haben viele unserer Hocker verkaufen können – und das hat uns den Anstoß gegeben, unsere kleine Möbeldesignmanufaktur „Junk Munkez“ („Müllaffen“) zu gründen. Unser Erfolg ist also ein starkes Argument im Kampf gegen den Müll.
Wir haben unsere Hocker „Knit-Knacks“ genannt, weil sie im Inneren einen Stauraum bieten für all die Kleinigkeiten, die normalerweise zu Hause rumliegen. Auf Englisch nennt man diesen Kleinkram „Knick-Knack“ (deutsch: „Schnickschnack“). Daraus haben wir ein kleines Wortspiel gemacht, weil „knitting“ ja stricken bedeutet. Auch jetzt, zehn Jahre später, produzieren wir handgemachte, individuelle Knit-Knack-Hocker. Mittlerweile leben wir zwar in Kanada, weil die politische Situation im Libanon so schwierig wurde. Doch auch hier, in Montreal, ziehen wir durch die Straßen und suchen alte Waschmaschinentrommeln. Wir machen jetzt auch Couchtische daraus. Am meisten Spaß macht der Anfang, also sich zu überlegen, welches Design wir nutzen. Denn jede einzelne Waschmaschinentrommel hat eine andere Art von Perforation – manchmal liegen die Löcher enger, manchmal weiter auseinander. Also müssen wir für jede Trommel ein eigenes Design finden. Es gab eine besondere Trommel, bei der die Perforationen so dicht waren, dass wir die Beatles sticken konnten! Wir waren begeistert.
Protokolliert von Gundula Haage