Drogenanbau | Afghanistan

Blühendes Gift

Opium droht die afghanische Gesellschaft zu zerreißen. Eine Analyse

Ein Bauer erntet Opium-Pflanzensaft in einem Mohnfeld im Darra-i-Nur-Distrikt der Provinz Nangarhar (2020)

Afghanistan und das Opium – seit rund fünfzig Jahren spielt die Droge eine zentrale Rolle in der Wirtschaft des Landes. Gute Anbaubedingungen und hohe Rendite machten Schlafmohn zunächst einmal zum attraktiven landwirtschaftlichen Produkt für die arme Landbevölkerung, vor allem in den Provinzen Badachschan und Helmand.

In den 1970er-Jahren nahm die kommerzielle, auf den Export ausgelegte Produktion Fahrt auf: Anbauverbote für Schlafmohn in Ländern wie Türkei, Iran und Pakistan sorgten für eine Lücke im Weltmarkt. Gesetzliche Kontrollen bestanden in Afghanistan zu dieser Zeit kaum, so stieg das Land schnell zum wichtigsten Opiumproduzenten auf.

Auch die Mudschaheddin, verschiedene Warlords und später die Taliban finanzierten sich durch Drogengeschäfte. Mittlerweile werden 85 Prozent des weltweiten Opiums in Afghanistan produziert. Rund 6.800 Tonnen waren es im Jahr 2021, woraus bis zu 320 Tonnen pures Heroin hergestellt werden konnten. 177.000 Hektar Land werden derzeit mit Schlafmohn bebaut.

„Der Gewinn aus dem Opiumgeschäft macht mehr als die Hälfte der afghanischen Wirtschaftsleistung aus“

Rund 500.000 Mohnbauern und 15.000 Händler erwirtschafteten im Jahr 2019 mit Opium ihren Lebensunterhalt. Der Gewinn aus dem Opiumgeschäft macht aktuell mehr als die Hälfte der ohnehin stark gesunkenen afghanischen Wirtschaftsleistung aus.

Die Droge droht, das Land zu zerreißen: In vielen Regionen ist die Industrie rund um den Schlafmohn die einzige Verdienstmöglichkeit – und ein risikoreicher Geschäftszweig, der mit enormer Begleitkriminalität einhergeht. Denn die Profite streichen größtenteils Drogenbosse und korrupte Beamte ein.

Insbesondere Mädchen und Frauen sind häufig Leidtragende einer menschenverachtenden Industrie, etwa wenn sie von ihrer Familie, meist Kleinbauern, die sich verschuldet haben, als „Opiumbräute“ verkauft werden, um Gläubiger bezahlen zu können.

„Zehn Prozent der Afghaninnen und Afghanen sind opiatsüchtig“

Und nicht alles Opium wird für den Weltmarkt produziert: Laut Schätzungen der Vereinten Nationen sind rund 4,6 Millionen Menschen im Land selbst opiatsüchtig, was mehr als zehn Prozent der Bevölkerung entspricht.

Die Taliban wiederum gelten sowohl als Profiteure wie auch als erbitterte Feinde des Opiumhandels. Im Jahr 2022 wurde der Anbau von Schlafmohn offiziell verboten. Inwieweit dieses Verbot durchgesetzt wird und was dies für all die Menschen bedeutet, die von der Industrie abhängig sind, muss sich noch zeigen.

Zusammengestellt von Gundula Haage
Mitarbeit: Justus Tamm