Schon während des Wahlkampfs von Georg Bush im Oktober 2000 war ich sicher, dass es zu einer radikalen Änderung der amerikanischen Außenpolitik kommen würde, im Sinne des Unilateralismus. Das hat seine Regierung in den Monaten vor dem 11. September 2001 dann genügend bewiesen – ich machte mir damals bereits Sorgen um die Zukunft der transatlantischen Beziehungen. Nach dem 11. September 2001, der innenpolitisch ausgenutzt wurde, kamen tiefe Sorgen um die liberale Zukunft des Landes hinzu. Die Folgen des 11. September waren, dass man erstens das Recht einschränkte und das nicht öffentlich zugab und dass man zweitens in den Medien, im öffentlichen Diskurs, aber auch im Parteileben, von Selbstbeschränkung reden konnte, von self-intimidation, Selbsteinschüchterung.
Selbstverständlich war ich durch das, was in der Weimarer Republik passiert war, alarmiert und merkte, wie Bushs Regierung die Verfassung hier und da, und ohne es immer zuzugeben, aushöhlte. Das hat mir und vielen Freunden eine tiefe Sorge erweckt.Ich habe damals am 11. September in mein Tagebuch geschrieben: „Das ist eine schreckliche Gefahr für die liberale Demokratie.“ Und leider hat sich das in den ersten Jahren als richtig erwiesen. Heute sehe ich die Sache mit etwas größerer Hoffnung. Ich hoffe zumindest, dass das Schlimmste überwunden ist. Aber: Es gibt die Zerbrechlichkeit der Freiheit, der Demokratie, die Aushöhlung einer Verfassung. Amerika war erschüttert. Aber es hat ein liberales Fundament, und das ist zu beschützen.Wer auch immer dieses Jahr in den USA gewählt wird, dieser Kandidat wird mehr für die transatlantischen Beziehungen tun.
Die jetzigen Wahlkandidaten sind besorgt um das Land und offener gegenüber Kritik. Sie haben es leicht. Bush hat so viel kaputt gemacht, dass die Selbstkritik stärker geweckt wurde. Nach dem 11. September kann ich nur immer wieder sagen: Man muss die essentielle Wichtigkeit der transatlantischen Beziehungen noch tiefer begründen.Ich rede nicht gerne von einem Wertesystem – weil ich nicht sicher bin, was wir damit meinen –, aber davon, dass wir sehr viel gemeinsam haben. „Westen“ ist für mich kein geographischer Begriff, sondern ein Begriff, den ich mit der europäischen Aufklärung verbinde, die in Amerika ein besonderes politisches Ergebnis erreicht hat. Diese Aufklärung ist das, was uns fundamental zusammenhalten sollte.
Und ich kann meine Hoffnung aussprechen, dass es das in der Zukunft auch tun wird.Freiheit ist nicht nur zerbrechlich, sondern sie kann von außen und innen bedroht werden. Es ist allgemein die Verpflichtung aller westlichen Länder, sich daran zu erinnern, dass Freiheit nicht missbraucht werden darf. Die Amerikaner haben den Fehler gemacht, die Worte „Demokratie“ und „Freiheit“ zu leichtfertig zu benutzen. Der Vergleich zwischen Deutschland nach 1945 und Irak nach 2003 war, grob gesagt, ein Blödsinn, aber ein gezielter Blödsinn. Jetzt sollte es darum gehen, dass es wirklich unsere gemeinsame Pflicht ist, nicht nur unsere Interessen zusammenzuraffen, sondern und auch darauf zu besinnen, auf welcher geistigen und moralischen Grundlage diese Interessen existieren.
Der vorliegende Text basiert auf einem Podiumsgespräch, das am 3. April 2008 im Auswärtigen Amt stattfand. Fritz Stern diskutierte mit Heinrich Winkler von der Humboldt-Universität Berlin und Georg Boomgaarden, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, über die deutsche Geschichte und die Entwicklungen seit dem 11. September 2001.