„Kulturaustausch mit der KP ist wichtig“

von Georg Blume

Körper (Ausgabe II/2010)


Ja, es ist anstrengend, nervenaufreibend und nicht selten demütigend, mit dem offiziellen China zu kommunizieren. Wir müssen mit herben Rückschlägen rechnen. Wie zuletzt im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse, als KP-Kader das Gespräch mit chinesischen Dissidenten verweigerten und nur durch eine der Selbstverleumdung nahe Geste des deutschen Gastgebers von der Heimfahrt abgehalten werden konnten. Oder wie letzten Sommer auf dem größten Filmfestival Australiens in Melbourne, als vier chinesische Regisseure zwei Tage vor Beginn ihre Beiträge zurückzogen, weil auf dem Festival auch ein Film über die uigurische Dissidentin Rebiya Kadeer gezeigt werden sollte.

Wann immer Gegner ihres eigenen Regimes dabei sind, machen die Vertreter des offiziellen China nicht mit. Schlimmer noch: Daheim stecken sie die Leute nach fadenscheinigen Prozessen hinter Schloss und Riegel. Das verstößt nicht nur gegen die Menschenrechte der Betroffenen, sondern ist auch ein Affront gegen unseren demokratischen Anstand. Wie können wir mit denjenigen vernünftig reden, die unseren Begriff von Öffentlichkeit nicht teilen?

Nachvollziehen lässt sich also durchaus, wenn einige fordern, den Kulturaustausch mit der chinesischen KP einfach zu beenden. Und doch ist für unsere globale politische Kultur heute nichts wichtiger als eben dieses schwierige Gespräch. Denn es gilt, der dynamischsten und kreativsten politischen Kraft unserer Zeit den Anschluss an die Weltöffentlichkeit zu ermöglichen.

Nur für diejenigen, die es aufgrund ihrer Empörung über Chinas Umgang mit Tibet, Taiwan und Dissidenten gerne verdrängen: Chinas KP ist die erfolgreichste Armutsbekämpferin aller Zeiten. Ihre Mischung aus staatlichem Landbesitz, privater Bewirtschaftung und marktwirtschaftlichen Anreizen für die ärmeren 700 Millionen chinesischen Landbewohner ist einmalig. Armutsbekämpfung und die Umstellung auf erneuerbare Energien sind heute zwei der drängendsten Aufgaben der Menschheit. Die KP trägt derzeit zu ihrer Lösung mehr bei als jede andere politische Bewegung auf Erden. Und mit ihr wollen wir nicht reden?

Eine so intelligente und erfolgreiche politische Kraft wie die KP Chinas kann nicht so undemokratisch sein, wie sie uns nach außen erscheint. Und sie ist es auch nicht. Innerparteilich sind die Diskussionen in China pluralistischer und kontroverser als das, was wir davon wahrnehmen. Es gibt dort orthodoxe Liberale der Milton-Friedman-Schule, die „neue Linke“ mit ihrem Fokus auf Sozialpolitik und viele engagierte Vorkämpfer einer umweltfreundlichen, nachhaltigen Gesellschaft. Auch die parteizensierte Medienöffentlichkeit hat eine neue Breite: Umwelt- und Verbraucherschutz, der Streit um die Landrechte der Bauern, die Rechte der Wanderarbeiter, das neue Rechtssystem – das sind alles große Themen der Massenmedien. Nur fügen sich bisher alle Protagonisten in ein Parteisystem, das auf den Säulen eines sehr alten, aber immer noch funktionierenden Zentralstaats steht. Auf diese politische Kontinuität ist man stolz. Sie demokratisch zu legitimieren, sehen die meisten KP-Mitglieder allenfalls als Zukunftsaufgabe. Vorerst freut man sich an der neuen Vielfalt im System.

Genau hier muss der Kulturaustausch mit der KP ansetzen. Ein Paradeprojekt dafür hat Deutschland in Peking schon: Es ist das von deutschen Architekten umgebaute Revolutionsmuseum am Platz des Himmlischen Friedens, das nach seiner Eröffnung in diesem Sommer als Bühne für öffentliche Gespräche über die Geschichte der europäischen Aufklärung dienen soll. Die deutsche Regierung unterstützt diese Veranstaltungsreihe. Sicher wird man dabei nicht die nächste chinesische Revolution ausrufen, aber man wird im symbolischen Zentrum der KP-Macht über Fehler und Leiden der westlichen Modernisierung sprechen – damit China es besser macht. Die KP-Elite wird zuhören. Wie sträflich wäre es für die deutsche Kulturpolitik, eine solche Aufklärungschance nicht zu nutzen!

Viel häufiger müssten deutsche Gelehrte und Politiker den Spuren von Jürgen Habermas folgen und an der Zentralen Parteischule der KP in Peking ihre Ideen vertreten und das Gespräch suchen. Die Türen stehen ihnen dort weit offen. Dabei dürfen wir uns durchaus auch in den parteiinternen Streit in China einschalten. Freilich bräuchten wir erst einmal Übersetzungen von neuen KP-Vordenkern wie Wang Hui. In viel größerem Maße als bisher müssten wir die Sprachbarriere überwinden und sollten nicht den Chinesen das Englischlernen überlassen. Welche Krankenversorgung China auf dem Land entwickelt, welche Architektur es für seinen sozialen Wohnungsbau adapiert, welche Technik für die Solarenergie, das setzt unter den ökonomischen Bedingungen von heute Weltmaßstäbe.

Da sollten wir in Deutschland mitreden wollen. Das aber klappt nur, wenn wir uns von der Fundamentalkritik der Dissidenten ein Stück lösen. Wer der KP ihre Daseinsberechtigung abspricht, den akzeptiert sie nicht als Diskussionspartner. Und sie spürt sehr genau, wer ihr System verachtet. Diese Verachtung für den chinesischen Kommunismus ist in Einzelfällen sehr gut begründet und historisch gerechtfertigt, aber sie verbaut alle Wege in die Zukunft.



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