Der Maut Ka Kuwa in Rajkot

von Siddharth Kaneria

Geht ohne (Ausgabe I/2023)

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Stuntmen rasen an den senkrechten Bretterwänden des sogenannten „Todesbrunnens“ entlang. Foto: Siddharth Kaneria


Der „Brunnen des Todes“, auf Hindi „Maut Ka Kuwa“, ist eine Holzkonstruktion, die jedes Jahr im September in meiner Heimatstadt Rajkot im indischen Bundesstaat Gujarat aufgebaut wird. Anlass ist das hinduistische Janmashtami-Fest, an dem Gläubige die Geburt des Gottes Krishna feiern. Seit ich denken kann, gehört zu diesen Feierlichkeiten auch eine Stuntshow. In dem „Todesbrunnen“ rasen todesmutige Stuntmen mit ihren Autos an den fast senkrechten Bretterwänden entlang.

Sie sind dabei nicht angeschnallt und lehnen sich sogar bei voller Fahrt weit aus dem geöffneten Fenster und winken dem Publikum zu. Erfunden wurde der „Brunnen des Todes“ ursprünglich in den USA und in Großbritannien. Dort fuhren jedoch vor allem Fahrräder und später auch Motorräder durch das hölzerne Rund. Die verrückte Idee, Autos zu benutzen, wurde in Indien erdacht. Die Autos sind so getunt, dass sie extra laut sind, und die Zuschauer, die selbst aus entlegenen Dörfern anreisen, um das Event live mitzuerleben, schreien, klatschen und feiern.

Besonders mutige Fans drücken den Fahrern sogar einen Geldschein in die Hand, wenn sie vorbeirasen. Ich selbst kenne die Stuntshow schon seit meiner Kindheit. Seit 2017 dokumentiere ich sie beruflich und stand sogar schon in der Mitte der Trommel, um Fotos zu machen. Das war so beängstigend, dass ich eine Gänsehaut bekam. Ich habe mittlerweile auch viele Tage mit den Stuntleuten verbracht, die jedes Jahr für ihren Auftritt in die Stadt kommen. Sie üben monatelang und riskieren ihr Leben für das Spektakel.



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