Ein Haus in Lirquén

von Antonia Lorena Garcia Inzulza

Angst vor Frauen (Ausgabe IV/2022)


Versteckt hinter einem lauten, chaotischen Markt in Lirquén, einem chilenischen Hafendorf nördlich der Stadt Concepción, findet sich eine schmale Gasse. An ihrem Ende liegt das Grundstück, auf dem Maria und Diomedes in den 1970er-Jahren ein Haus für ihre siebenköpfige Familie bauten.

Unter der Woche fuhr Diomedes damals mit seinem Fischerboot hinaus, um Meeresfrüchte zu fangen, die Maria mit Tortillas auf dem Markt verkaufte. Die Tortillas hat Maria in einem großen Lehmofen in ihrem Haus selbst gebacken.

2010 wurden Teile Chiles von einem Tsunami überschwemmt, darunter auch Lirquén. Maria und Diomedes gelang es, zu fliehen. Als sie zurückkamen, fanden sie jedoch nur noch Ruinen vor. Bis auf den Lehmofen war alles weggeschwemmt worden.

Heute leben ihre Tochter, ihre Enkelin und ihre Urenkelin zusammen in dem Haus, das sie nach dem Tsunami wiederaufgebaut haben. Die Tochter und die Enkelin haben das Geschäft übernommen und verkaufen heute ihre eigenen hausgemachten Tortillas auf dem Markt, gebacken im selben standhaften Ofen, den schon ihre Großeltern benutzten.



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