Das Klima der Erde befindet sich im Wandel. Die Veränderungen sind messbar, die Effekte lassen sich fast mit unseren eigenen Augen beobachten. Der Wandel macht sich aber auch bemerkbar in unserer Vorstellung vom Klimawandel: in dem, was Klimawandel für uns bedeutet und welche Reaktionen er hervorruft. Der Begriff „Klimawandel“ trägt dazu bei, eine enorme Anzahl von ideologischen Projekten wie Emissionshandel, Geotechnologie, Windkraftturbinen, Kernkraft und Flugrationierung zu rechtfertigen. Das Phänomen des Klimawandels wird mit Hypothesen über die Natur und mit unserem Verhältnis zur Natur aufgeladen. Drei dieser Mythen möchte ich genauer betrachten. Ich habe ihnen biblische Metaphern zugeordnet: klagendes Eden, prophezeite Apokalypse und konstruiertes Babel.
Der Mythos „ klagendes Eden“ sieht das Klima als eine Quelle des Natürlichen, als etwas, das rein und unverfälscht ist und sich außerhalb der Reichweite des Menschen befindet. Das Klima erscheint zerbrechlich und wird mit dem Einfluss des Menschen zu etwas, das leicht umkippen kann. Daher muss es geschützt und bewahrt werden. Diese Annahmen haben die romantischen Vorstellungen von der Wildheit der Natur und die ökologischen Bewegungen der westlichen Aufklärung über zwei Jahrhunderte geschürt. Dieser Mythos wird durch das Bild vom verlorenen Eden charakterisiert, durch Ideen vom Untergang und einer Sehnsucht nach Wiederherstellung, denn unser Klima ist zum Symbol für die letzte Festung der Natur geworden.
Das Bedauern über ein verloren gegangenes Eden verdeutlicht, dass sich mit dem Klimawandel nicht nur die Lebensgrundlage der Menschen, sondern auch ihre Umgebung verändert.
Anders ist es bei der „prophezeiten Apokalypse“. Umweltdiskurse wurden lange Zeit durch eine Sprache der Apokalypse geprägt. Ihr Repertoire umfasst Aussagen wie „drohendes Desaster“, „herannahende Kipppunkte“, „Billionen von Menschen durch Verwüstung bedroht“, „Zehn Jahre zur Rettung des Planeten“. Dieser Mythos impliziert eine separate Subspezies des Klimawandels – den „katastrophalen“ Klimawandel im Gegensatz zu „Klimawandel“. Dieser linguistische Rahmen des Klimawandels verleiht ein Gefühl von Gefahr, Angst und Dringlichkeit der Diskurse über den Klimawandel. Durch eine solche Sprache wird den Menschen die Entscheidung genommen, das Phänomen zu ignorieren, andererseits ist ein verändertes Bewusstsein für den Klimawandel allein aber ein zu einfaches Ziel. Oft führen sprachliche Katastrophenbilder zu Ohnmacht, Apathie und Skepsis unter den Menschen.
Den dritten Mythos nenne ich „konstruiertes Babel“. Die Schöpfungsgeschichte beschreibt die Bevölkerung Babels als gefestigte und unabhängige Menschheit, die sich nach dem Trauma der Sintflut wieder erholt hat und nun nach persönlichem Ruhm und gottähnlichem Status strebt. Dieses Bild wird von der griechischen Idee der Hybris, der Anmaßung, beeinflusst. Ich glaube, dass innerhalb der bürgerlichen westlichen Intelligenz dieser anmaßende Glaube an die menschliche Fähigkeit vorherrscht, dass das Klima kontrolliert werden kann. Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, werden dabei hauptsächlich in modernistischen Termini formuliert, ähnlich wie bei den Themen saubere Luft und Ozonloch.
Sobald ein Risiko identifiziert ist, muss der Staatsapparat – oder wie im Fall des Klimawandels der Apparat von mehreren Staaten – mobilisiert werden, um Risiken zu entschärfen. Das Management des Klimawandels wird zu demjenigen Projekt, das menschliche Führung und Kontrolle erfordert. Diese Idee von politischer Kontrolle und Herrschaft über das Klima hat die Geotechnologie hervorgebracht, die nachhaltige und wirtschaftliche Konzepte zur Nutzung und zum Schutz der Erde entwickelt. Dabei gehen wir davon aus, dass wir nicht in der Lage sind, unseren Turm von Babel zu realisieren. Die konventionellen Instrumente der Diplomatie, soziales Engagement und steuerliche Regulierung, reichen dafür allein nicht aus. Um ein unkontrolliertes Klima unter menschliches Management zu bringen, benötigen wir neue, wohl durchdachte Interventionen im Einklang mit unserer Umwelt. Hierin besteht eine tiefe Ironie.
Diese drei Mythen prägen und formen unsere Sprache über den Klimawandel: Klimawandel als Klage, Klimawandel als Furcht, Klimawandel als Anmaßung. Das sind keine exklusiven Positionen, es ist vielmehr wahrscheinlich, dass sich die Ansätze von allen dreien vermischen. Diese Mythen werden vermutlich stabil bleiben, gerade wenn das reale Klima sich weiter verändert.
Aus dem Englischen von Inga Sievers