Aus Liebe zur Kuh

von Ochan Hannington

Talking about a revolution (Ausgabe II/2020)

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Dinka-Rinder. Illustration: Mauritius Images


Eine Kuh ist im Südsudan zwischen 1.000 und 1.500 US-Dollar wert. Viel Geld also, doch ihre soziale Bedeutung ist viel größer als ihre wirtschaftliche. Besonders bei den Hirten im Norden und in der Mitte des Landes ist das Leben von Menschen und Kühen untrennbar miteinander verbunden. Sogar die Namen der Menschen leiten sich von Kühen ab. Eine schwarz-weiße Kuh mit breiten Hörnern ist zum Beispiel eine Alek. Dies ist auch ein gebräuchlicher Mädchenname.

Die Hirten behandeln ihre Kühe wie Menschen. Manche würden sogar ihr eigenes Leben für ihre Tiere opfern und einige Kühe genießen innerhalb der Familie eine besondere Stellung. Wenn eine solche Kuh stirbt, trauern die Besitzer und weinen oft tagelang. Aus Respekt fasten sie, bis sie überredet werden, wieder etwas zu essen und den Verlust zu akzeptieren. In Dürrezeiten legen die Hirten zu Fuß viele Kilometer zurück, um gutes Gras und Wasser für ihre Kühe zu finden. Monatelang harren sie in der Wildnis aus, bis es endlich regnet und das Gras auf dem heimischen Weideland wächst.

Der Verlust von Kühen ist automatisch auch ein Verlust von Ehre, Reichtum und Respekt. Viele würden lieber bei der Verteidigung ihres Viehs sterben, als Diebe mit den Kühen ziehen zu lassen. Familien, die einen großen Teil ihrer Herde verlieren, müssen oft weit fortgehen, um der Schmach und Schande zu entfliehen. Bei Hochzeiten muss die Familie des Bräutigams der Familie der Braut eine bestimmte Anzahl von Kühen überlassen. Eine Zahlung in Bargeld wäre zwar möglich, aber gesellschaftlich verpönt, da Bargeld nicht den gleichen Respekt genießt wie eine Kuh.

Übersetzt von Karola Klatt



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