Jedes Mal, wenn ich in Bagdad das gefährliche Schiitenviertel Sadr-City aufsuchte, gab mir mein treuer Begleiter Saad den Rat: „Zeigen Sie Ihren Pass vor!“ Gemeint war nicht mein Reisepass, sondern ein Foto, auf dem ich neben dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini in der heiligen iranischen Stadt Ghom auf dem Boden kauere. Es war im Herbst 1979 am Tag nach der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran entstanden, und es hat bei den Schiiten immer eine äußerst positive Wirkung ausgeübt. Dem Vorzeigen dieses Fotos verdanke ich es auch – zum Teil wenigstens –, dass ich die ansonsten wenig ratsame Reise von Bagdad nach Basra ohne amerikanischen Panzerschutz antreten konnte, sondern unter der Obhut der sogenannten Badr-Brigaden, einer schiitischen Miliz, die im derzeitigen Bürgerkrieg eine große Rolle spielt. Diese Milizionäre waren extrem gut geschult, und ich brauchte mir um meine Sicherheit keine sonderliche Sorge zu machen, sobald wir schiitisches Territorium erreicht hatten. Seither trage ich das Foto immer bei mir, wenn ich in der Region unterwegs bin.
Aber die bemerkenswerteste Erinnerung, die ich mit diesem Foto verbinde, geht auf das Jahr 1995 zurück. Ich wollte von Afghanistan, wo der Vormarsch der Taliban in vollem Gange war, über die Ostgrenze des Iran in Richtung Meshed. Bei der üblichen Kontrolle fiel dem jungen Revolutionswächter, der mich abtastete, ein dickes Geldpaket auf, das ich nicht hatte deklarieren können. Es handelte sich um die Summe von 3000 Dollar, für die dortige Gegend ein erheblicher Betrag. Das Misstrauen war geweckt. Ich wurde in eine abgelegene Kabine geführt, wo mir zwei bärtige Revolutionswächter mit unfreundlichen Blicken gegenübersaßen, die das Geld argwöhnisch beäugten. In dieser Stunde der Ungewissheit, in der ich auch keinerlei Kontakt zu den iranischen Behörden in Teheran hatte, habe ich das Foto mit Khomeini hervorgeholt und meinen Bewachern gezeigt. Wie unter dem Zauberstab verwandelte sich die Situation. Die starren und bedrohlichen Gesichter der Pasdar hellten sich auf und nahmen freundliche Züge an. Sie küssten das Foto, und dann wurde ich geküsst. Jegliche Formalität war von nun an überflüssig.
Wenn ich in dieser Zeit an die persische Front kam, waren die Revolutionswächter, die dort gegen die Iraker kämpften, jedes Mal zu Tränen gerührt, wenn ich das Foto vorzeigte. Sie sagten: „Welch glücklicher Mensch Sie sind, dass Sie neben dem Imam Khomeini haben sitzen und mit ihm sprechen dürfen!“ Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen. Ich habe alle Länder dieser Erde gesehen, mit Ausnahme von ein paar winzigen Inseln im Pazifik und in der Karibik, Ost-Timor und der Antarktis. In die Antarktis geht meine nächste Reise. Da werde ich das Foto wohl nicht brauchen. Ich bin 83 Jahre alt, und die Zeit bleibt mir nicht, noch einmal 140 Länder zu bereisen. Bei manchen hätte ich auch gar keine Lust mehr.