Drei oder vier Mal grollt kurz und laut ein Donner, dann entlädt sich ein heftiger tropischer Regen in die schwüle Abendluft von Phnom Penh. Das Publikum im ersten Stock des Meta House rückt ohne Hast die Stühle in den überdachten Teil der großen Dachterrasse. Etwa 100 Zuschauer sind gekommen, um sich Beiträge des letzten Berliner Kurzfilm-Festivals anzuschauen. Mitgebracht hat sie der Leiter des Festivals persönlich, Heinz Hermanns. Solche Veranstaltungen mit internationalem Flair sind in der kambodschanischen Hauptstadt keine Seltenheit mehr, seit es das deutsch-kambodschanische Kulturzentrum gibt.
Ins Leben gerufen wurde es von Nicolaus Mesterharm. Der deutsche Dokumentarfilmer lebt seit dem Jahr 2000 in Phnom Penh. Was vor zehn Jahren als lockere Zusammenkunft mit Wohnzimmercharakter für die örtlichen Film- und Kunstinteressierten begann, entwickelte sich zu einem repräsentativen Kulturzentrum mit nahezu täglichem Veranstaltungsprogramm und etwa 2.000 Besuchern im Monat.
Der Name „Meta House“ leitet sich vom Khmer-Wort für „Güte“ ab. Regelmäßig werden hier klassische Konzerte, Theaterabende, Ausstellungen, Performancekunst und Videoinstallationen angeboten. Ein Goethe-Sprachlernzentrum und ein eigenes Café sind angegliedert. Doch Mesterharm sieht das Meta House nicht nur als kulturelles, sondern vor allem als edukatives Zentrum. Kambodscha leidet bis heute an den Folgen von jahrzehntelangem Bürgerkrieg und der blutigen Herrschaft der Roten Khmer, der Großteil der damaligen Künstler wurde vertrieben oder ermordet. In einem Land, das zu den ärmsten Asiens zählt, wird Kulturarbeit und kulturelle Bildung in Politik und Gesellschaft oft nicht als notwendig empfunden. Deshalb veranstaltet Mesterharm zahlreiche Seminare und Workshops für angehende Künstler. Seit 2009 leitet er eine integrierte Filmschule: „Ich biete in jedem Jahr Ausbildungen für etwa 15 bis 20 junge kambodschanische Filmemacher an.“
Das thematische Spektrum der Arbeiten der kambodschanischen Filmschüler ist groß: „Viele der Filme setzen sich mit sozialer Ungleichheit, Entwicklungsproblemen oder Umweltschutz in Kambodscha auseinander. Wir betreiben keine direkte politische Arbeit, aber wir ermuntern junge Künstler, einen sozialpolitischen Standpunkt zu beziehen. Die junge Demokratie Kambodschas braucht die Teilhabe und Meinungsfestigkeit der Bevölkerung, und dazu gehören auch die Künstler“, sagt Mesterharm.
Er will sich nicht abhängig machen von den Vorgaben eines Staates oder einer einzigen großen Geberorganisation, sondern „ein selbst organisiertes Haus bieten, das Räumlichkeiten und Support für Künstler und Kulturschaffende zur Verfügung stellt“. Finanzielle Unterstützung erhält er für einzelne Projekte vonseiten des Goethe-Instituts und des Instituts für Auslandsbeziehungen, verschiedener politischer Stiftungen und aus der Wirtschaft. Um die laufenden Kosten tragen zu können, werden auch Räumlichkeiten für Veranstaltungen vermietet und kleine Eintrittsgelder genommen.
Politischer Zensur begegnete Mesterharm bisher so gut wie nicht. „Vieles, was in Kambodscha auf kultureller Ebene fehlt“, sagt er, „wird einfach deswegen nicht gemacht, weil es eine Art Selbstzensur gibt. Die Einheimischen antizipieren offizielle Reaktionen oder Repressionen und unterlassen schon von vornherein bestimmte Dinge und Aktionen. Speziell in Kambodscha wollen die Leute, in Anbetracht der historischen Gegebenheiten, verständlicherweise einfach Frieden, dazu gehört auch der soziale Frieden.“
Gerne würde Mesterharm zeitgenössische kambodschanische Künstler auch über die Landesgrenzen hinaus bekannter machen: „Die Beziehungen zwischen den südostasi-atischen Ländern sind historisch bedingt oft angespannt, es gibt viele Vorurteile, die es abzubauen gilt. Eine Vernetzung innerhalb der Region ist eines unserer Ziele.“ Kaum hat der Regen aufgehört und ist die letzte Filmmusik verklungen, verabschiedet sich Mesterharm. Früh am nächsten Tag fliegt er nach Rangun, wo er jungen Burmesen das dokumentarische Filmen beibringen wird.