Über Berge

ein Gespräch mit Eliot Weinberger

Oben (Ausgabe I/2019)


Herr Weinberger, Ihr Essay handelt von verschiedenen Bergen. Sind sie real?

Ja, all diese kurzen Erzählungen beziehen sich auf bestimmte, reale Berge. Allerdings habe ich mich dazu entschieden, die Namen wegzulassen, damit es nicht möglich ist, sie zu identifizieren. Lediglich das jeweilige Land, in dem sie sich befinden, nenne ich. Mir gefällt die Idee, so abstraktere, universelle Aussagen zu treffen.

Woher stammen diese Geschichten über Berge?

Ich hatte einen anthropologischen Essay über ein Volk gelesen, das an einem Berg in Mexiko lebt, und war davon fasziniert. Also wollte ich etwas darüber schreiben. Alle meine Essays basieren auf verschiedenen Quellen. Sie sind immer ein bisschen wie eine Collage. Für diesen Text hier habe ich zum Beispiel alte Sanskrit-Texte verwendet, wissenschaftliche Artikel und sogar ein sehr bekanntes literarisches Werk aus Deutschland. Vielleicht sollte ich das deutschen Lesern gar nicht verraten, aber es handelt sich um Heines „Harzreise“. Allerdings kopiere ich grundsätzlich nichts. Aus meinen Quellen suche ich mir die Informationen heraus, die ich verwenden möchte, und schreibe dann in meinen eigenen Worten darüber.

Haben Sie dabei explizit nach Bergmythen gesucht?

Es sind keine Mythen über die Entstehung von Bergen, obwohl es davon sehr viele gibt. Was ich hier versammelt habe, sind die direkten Erfahrungen, die Menschen im Verhältnis mit Bergen gemacht haben. Es sind Geschichten über Menschen, die in den Bergen leben. Und Geschichten darüber, wie wir uns Menschen in den Bergen vorstellen.

In vielen Teilen der Welt ranken sich Mythen und Geschichten um Berge. Was ist es, das Menschen so sehr an ihnen fasziniert?

Ich glaube, es ist diese Idee des unbekannten Terrains. Am Horizont sichtbar, aber dabei unglaublich weit entfernt und unglaublich schön. Ich glaube, die Faszination von Bergen liegt in ihrer Unbezwingbarkeit, so wie beim Mond oder den Sternen. Wenn man ihnen zu nahe kommt, sieht man ihre Schönheit und Form nicht mehr. Außerdem sind Berge natürlich die Vermittler zwischen uns und Gott beziehungsweise den Göttern. In allen Religionen spielen sie eine Rolle, denken Sie an die zahlreichen heiligen Berge überall auf der Welt. Selbst Pyramiden und Stupas als Häuser der Götter sind letztlich Nachbildungen von Bergen.

Haben Sie einen persönlichen Lieblingsberg?

Den Kangchendzönga in Indien, das ist der dritthöchste Berg der Welt. 

ein Interview von Gundula Haage und Jess Smee



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