Klimaneutral

von Beatrice Rindevall

Nonstop (Ausgabe III/2019)


Stockholm hat sich hohe Klimaziele gesetzt. Bis 2040 will die alte, aber heute schnell wachsende Stadt komplett „klimaneutral“ sein. Die Innenstadt ist größtenteils auf Inseln gebaut. Das Wasser verschönert die Metropole, erschwert aber auch die Verkehrssituation. Es gibt nur wenige Überfahrten zwischen dem nördlichen und südlichen Teil der Stadt, und während des Berufsverkehrs kann es hier ziemlich eng werden. Besonders die Autoabgase stellen eine Herausforderung für Stockholms Klimaziele dar. „Seit 1990 haben wir die Schadstoffemissionen um vierzig Prozent verringert, besonders bei Heizungen und der Stromerzeugung, beim Verkehr kommt es aber nicht voran“, beklagt Katarina Luhr, Beauftragte der städtischen Umweltweltbehörde. Trotz effizienteren Autos und saubererem Kraftstoff haben die Emissionen nicht abgenommen, da die Zahl der Fahrzeuge gleichzeitig gestiegen ist. Um den Schadstoffausstoß in den Griff zu bekommen, hat die Stadt sich deshalb ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Ab 2030 sollen keine Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr zugelassen werden und Strom soll komplett aus erneuerbaren Quellen kommen.

Ein ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, dass die Stockholmer zwei Millionen Fahrten täglich unternehmen. Prognosen zeigen außerdem, dass die Einwohnerzahl Stockholms bis zum Jahr 2030 um ein Viertel wachsen wird. In Stockholms Umweltschutzprogramm ist deshalb eine Strategie festgelegt, um den Fußgänger-, Rad-, und Nahverkehr auszubauen: Konkret heißt das, dass die Gemeinde schmutzige Autos aus der Stadt verbannen will, indem sie neue Umweltzonen schafft, Fahrbahnen festlegt, die nur für den öffentlichen Nahverkehr vorgesehen sind, und bestehende Parkplätze in Fahrradwege umwandelt.

Bislang gab es in Stockholm eine Umweltzone, die die gesamte Innenstadt umfasste und den Schwerkraftverkehr auf bestimmten Straßen regulierte. Ab nächstem Januar werden zwei neue Zonen eingeführt. In der Umweltzone 2 müssen Benzin- und Dieselfahrzeuge die Euro-Norm 5 der Abgasbestimmungen erfüllen. Die Forderungen gelten auch für Hybridautos und Fahrzeuge, die Bio- oder Erdgas tanken. Im Sommer 2022 werden dann die Anforderungen für Dieselfahrzeuge verschärft, um nur Fahrzeuge, die den noch strengeren Euro-Norm 6 entsprechen, in die Umweltzonen zu lassen. In der Umweltzone 3 gelten die strengsten Anforderungen. Hier dürfen nur reine E-Autos, Brennstoffzellenautos und mit Gas betriebene Autos nach Euro-Norm 6 fahren. Nach Berechnungen des Analyseunternehmens Vrooms dürften nach 2022 nur dreißig Prozent der Autos, die derzeit im Verkehr sind, in der Umweltzone 2 fahren.

Um den Autoverkehr zurückzudrängen, hat Stockholm auch sogenannte Sommerstraßen eingeführt. 2015 hat man damit begonnen, in Sommermonaten Autostraßen in Spazierwege umzuwandeln. Im ersten Jahr waren es nur zwei Straßen im zentralen Stadtbezirk Södermalm, inzwischen gibt es rund zwanzig über die gesamte Stadt verteilt. Autos und Parkplätze sind verschwunden und durch Bänke, Blumen und breitere Straßencafés ersetzt worden.

Man sieht in Stockholm nun zunehmend Elektroscooter, E-Bikes und rikschaartige batteriebetriebene Podtaxis. Zwar wird der Kauf von E-Bikes finanziell unterstützt, die Stadtverwaltung setzt weiter auch auf altbewährte Fahrzeuge: Derzeit wird das Radwegenetz ausgebaut und bestehende Radwege werden verbreitert. In den vergangen 15 Jahren ist der Fahrradverkehr so um fast 85 Prozent gestiegen, trotz Schnee und Kälte ist die Anzahl der Radfahrer auch im Winter gewachsen. Ein Viertel der Stockholmer benutzt sogar das ganze Jahr über das Rad.

aus dem Schwedischen von Stephanie von Hayek



Ähnliche Artikel

Körper (Was anderswo ganz anders ist)

Warum Knäckebrot in Schweden rund ist

von Inger Nilsson

Für mich gibt es nichts Schöneres als ein Knäckebrot mit Butter und Herrgård-Käse. Manchmal greife ich dafür zu traditionellem schwedischen „Knäckebröd“: Das is...

mehr


Nonstop (Thema: Verkehr)

„Die Magie des Bewusstseins“

ein Gespräch mit Ben Okri

Um von A nach B zu kommen, muss man sich nicht immer in ein Auto setzen, findet der Autor. Ein Gespräch über Reisen in der Literatur

mehr


Nonstop (Editorial)

Editorial

von Jenny Friedrich-Freksa

Unsere Chefredakteurin wirft einen Blick in das aktuelle Heft

mehr


Was bleibt? (In Europa )

„Migranten warten sieben Jahre auf Arbeit“

ein Gespräch mit Sofia Appelgren

Einwanderer bringen berufliche Fähigkeiten mit, die die europäische Wirtschaft gut brauchen kann. Die Unternehmerin Appelgren erklärt, wie sie Kontakte zwischen ihnen und schwedischen Arbeitgebern herstellt

mehr


Iraner erzählen von Iran (Die Welt von morgen)

Verbotene Landlust

Eine Kurznachricht aus Schweden

mehr


Zweifeln ist menschlich. Aufklärung im 21. Jahrhundert (Die Welt von morgen)

Fahrgeschäfte

Eine Kurznachricht aus Kuba

mehr