Interessanterweise zieht die Wirtschaft aus den Nachwirkungen von Krieg Lehren, die sich auch auf das Geschäftsleben anwenden lassen. Nehmen wir zwei Kriege, die die USA geführt haben: den Zweiten Weltkrieg und den Vietnamkrieg. Als die USA in den Zweiten Weltkrieg eintraten, mobilisierte das Militär den Wirtschaftssektor, mit Army, Navy und Air Force zusammenzuarbeiten. Dies führte zur Eröffnung der School of Advanced Management an der Harvard Universität. Im Gegensatz zur traditionell geisteswissenschaftlichen Ausrichtung Harvards konzentrierte sich die School of Advanced Management – die noch heute betrieben wird und sich großer Beliebtheit erfreut – voll und ganz darauf, militärische Erfolge voranzutreiben.
Einer der ersten Professoren der Schule, Robert McNamara, wurde später US-Verteidigungsminister unter Präsident John F. Kennedy. Im Krieg gegen Vietnam, den die USA verloren haben, erkannte die Wirtschaft, was für verheerende Folgen es hat, wenn man bei einer großen Initiative nicht alle verfügbaren Mittel einsetzt. Genauso wichtig ist, dass „Missionen“ in anderen Kulturen auch auf radikal andere Weise ausgetragen werden müssen. Die Vietnamesen waren zäher, agiler und geduldiger, weil sie auf ihrem Grund und Boden ihrer kulturelle Vorliebe und ihrem Instinkt folgten. So setzten sie sich gegenüber den Amerikanern durch, die eine traditionelle Kriegsführung ablehnten.
Überall auf der Welt suchen Wirtschaftskapitäne im Krieg nach Vorbildern. Business ist kein Spiel, Sport oder Wettbewerb. Es ist eine Schlacht zwischen feindlichen Kämpfern. Nur jene Manager, die sich als Krieger sehen und entsprechend handeln, sind in der Lage, großartige Unternehmen aufzubauen und gedeihen zu lassen. Die Ähnlichkeit zwischen militärischem und wirtschaftlichem Krieg erkennt man vielleicht am besten, wenn man einige Prinzipien bedenkt, die bei beiden zum Erfolg führen:
Das Überraschungsmoment: Als Steve Jobs plante, den iPod auf den Markt zu bringen, war das Letzte, was er wollte, die Aufmerksamkeit von Sony oder Microsoft, bevor er nicht seinen Landekopf gesichert hatte. Danach war die globale Gewalt dieser Innovation praktisch nicht mehr zu stoppen. Unternehmen wollen ihre Produkte nicht einfach auf den Markt bringen, sie wollen einmarschieren, ihre Konkurrenten überrumpeln und möglichst abschreckende Marktbarrieren errichten.
Der Oberbefehlshaber: Ein Unternehmensführer ist befugt, mit der Macht eines Militärkommandanten zu handeln. Er oder sie ist im Amt, um Schlachtpläne zu entwerfen und sie mit rücksichtslosem Siegeswillen auszuführen. Im Krieg muss es oberste Befehlshaber geben, die unilateral Entscheidungen treffen. Das Gleiche gilt im Geschäftsleben. Versuchen Sie mal, dem Chef Ihres Unternehmens zu erzählen, Sie bestünden darauf, dass abgestimmt wird, bevor er handelt.
Das Feuerkommando: General Electric (GE) ist bekannt dafür, dass es die leistungsschwächsten 20 Prozent seiner Mitarbeiterschaft systematisch feuert. Diese Säule der GE-Kultur (und vieler anderer gleichgesinnter Unternehmen) hat eine starke Parallele zum Krieg, wo die „leistungsschwächsten“ auf dem Schlachtfeld – Feiglinge, Inkompetente und Aufsässige – aus den Reihen entfernt werden. Manchmal werden sie sogar getötet. Wenn Untaugliche an der Front bleiben dürfen, verliert ein Unternehmen seine Überlegenheit, seinen Vorsprung, seinen Kampfeswillen, und das signalisiert den Beginn seines Niedergangs. Es gewinnt vielleicht Preise für hochfeine Arbeitsbedingungen, aber nur so lange, bis aggressivere Konkurrenten immer größere Prozentsätze des Marktanteils für sich beanspruchen. Dann muss es seine Türen schließen, und all die ungeeigneten, mit Samthandschuhen behandelten Leute verlieren ihren Job.
Der Kriegsrat: Wenn Unternehmen sich auf eine Wettbewerbsaktion vorbereiten, sammelt der Kriegsrat Informationen, identifiziert gegnerische Schwächen, erstellt Zeitpläne für den Angriff.
Keine Gefangenen machen: Wenn die Elite der Geschäftswelt zu einem Einsatz auszieht, werden ihre Truppen stets einer anderen mächtigen Kraft gegenüberstehen. Sie werden immer darauf setzen, möglichst hohe feindliche Verluste zu erzielen. Je weniger gegnerische Truppen am nächsten Tag weiterkämpfen können, desto besser.
Einmal riet ich dem Finanzier Carl Icahn – damals Eigentümer von TWA – dazu, 50 Millionen Dollar ganz legal auf einem ausländischen Konto zu deponieren. Die US-Regierung versuchte damals, Rentenfonds der TWA in einer Höhe einzutreiben, die Icahns Vermögen zu diesem Zeitpunkt praktisch ausgelöscht hätten. Ich wollte ihm einen Puffer verschaffen, falls er in der politischen Arena verlieren sollte. Er entschied sich dagegen. Warum? „Mark, mein Geld ist meine Armee, und meine Truppen muss ich bei mir haben.“
Aus dem Englischen von Johanna Kleinert