Editorial

von Jenny Friedrich-Freksa

Une Grande Nation (Ausgabe IV/2017)


Sie sind wieder auf der Straße: Zehntausende Franzosen protestieren dieser Tage gegen Emmanuel Macrons Arbeitsmarktreformen. Von Deutschland aus schaut man oft etwas amüsiert auf den ungebrochenen Streikwillen der Franzosen. Doch die Frage, ob das Land den Reformkurs seines Präsidenten mitträgt, wird in den nächsten Monaten entscheidend für Macron sein. Er, der die hohe Arbeitslosigkeit im Land bekämpfen will, macht unternehmerfreundliche Politik. Seine Umfragewerte sinken rasant, ein Schicksal, das viele Reformer ereilt. Wir schauen in dieser Ausgabe auf Frankreich.

Auffallend ist, wie sehr alle um Landesvater Macron, den jüngsten französischen Präsidenten aller Zeiten, kreisen. Als könnte ein einzelner Held das Schicksal eines sanierungsbedürftigen Landes herumreißen. Ein Mehltau habe das Land befallen, schreibt die Frankreichexpertin Ulrike Guérot im Einleitungsessay. Viele Länder Europas stecken in Krisen, aber das mächtige Frankreich strauchelt gewaltig. Kein europäisches Land hatte in den letzten Jahren so viele Terroropfer zu beklagen, immer noch herrscht der Ausnahmezustand.

Wir haben mit Französinnen und Franzosen über Frankreich gesprochen, unter ihnen der Historiker Emmanuel Todd und der Politologe Alfred Grosser, die Autorinnen Marie NDiaye und Shumona Sinha, der Autor Alexis Jenni sowie der Philosoph Tristan Garcia. Sie beschreiben den Verlust der einstigen Größe und die langen Schatten einer nicht aufgearbeiteten Kolonialvergangenheit und unzureichenden Integrationspolitik. Und natürlich den Wunsch nach einer guten Zukunft, in der das Land zu einer neuen Identität findet. Philippe Pujol erzählt, was in den Armutsvierteln von Marseille geschieht. Der Terrorexperte Olivier Roy erklärt, warum sich französische Jugendliche radikalisieren.

Neben aller Problemanalyse wollen wir aber auch die Schönheit nicht vergessen – und alles, was wir an Frankreich lieben: Auf einer Tour de France stellen wir Ihnen Orte und Museen vor, die Sie wahrscheinlich noch nicht kennen. Und der Sprachexperte Adam Jacot de Boinod erklärt einige der originellsten Redewendungen: »Chantepleurer« etwa bedeutet singen und weinen zugleich.



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