Wenn ich mir so überlege, was ich bei einer drohenden Zombie-Invasion tun würde – was ja sicherlich viele regelmäßig in ihrer Freizeit tun –, würde ich mich dafür entscheiden, Zuflucht bei „John Lewis“ in der Londoner Oxford Street zu suchen. Nicht nur, weil „John Lewis“ als Kaufhaus alles böte, was ich zum Überleben einer längerfristigen Belagerung bräuchte – denn es gibt natürlich auch andere Kaufhäuser, die ihre ganz eigenen Vorzüge haben: Bei „Harrods“ zum Beispiel könnte ich Mohammed Al Fayed den Zombies vorwerfen, auch wenn sie an dessen Hirn vielleicht nicht viel zu knabbern hätten. Aber kein anderes Geschäft in Großbritannien wäre so ein vertrauenerweckender Ort, um das Ende der Welt abzuwarten, wie „John Lewis“. „John Lewis“ ist schön. „John Lewis“ ist sicher. „John Lewis“ ist noch nicht einmal für die Konkurrenz bedrohlich.
Seit 76 Jahren lautet das Motto der Kette „Never-knowingly undersold“. Das könnte man etwas salopp mit „Wir sind auf unspektakuläre Weise billig“ übersetzen. An „John Lewis“ ist nichts spektakulär. Die Farbgebung ist schlicht, die Beleuchtung ist schlicht, die Hintergrundmusik ist nicht schlicht, weil es gar keine gibt, und in der Wäscheabteilung kann man 298 unterschiedliche Varianten Kopfkissenbezüge kaufen. Die Filiale in der Oxford Street ist kürzlich umgebaut worden, was sich über Jahre hingezogen hat. Als die Türen endlich wieder öffneten und der neue Stil von „John Lewis“ triumphal der Öffentlichkeit präsentiert wurde, merkte ich, dass alles genauso war wie vorher, außer dass die Stoffabteilung nach oben verlegt worden war.
Mit Liebenswürdigkeit kann man in keinem Nachtklub punkten, Verlässlichkeit ist nicht gerade der anziehendste Wert bei einem Liebhaber und mangelnde Bedrohlichkeit wird einer Armee kaum helfen, aber es sind drei verdammt gute Eigenschaften für ein Kaufhaus – vor allem für ein Kaufhaus, in dem du vorhast, deine letzten qualvollen Stunden, in denen du den Angriffen von Horden Untoter ausgesetzt bist, zu verbringen.
Die Mitarbeiter bei „John Lewis“ sind besonders freundlich, zugegebenermaßen, weil sie alle selbst Aktienanteile an „John Lewis“ besitzen und weil sie deshalb, wenn sie miesepetrig sind und du dort nicht mehr einkaufen gehst, direkt ihr eigenes Geld verlieren. Das ist ein großer Anreiz, aber ich möchte gerne glauben, dass sie trotzdem nett sind. Viele „John Lewis“-Mitarbeiter sind so alt, dass du denkst, du würdest bei deinen Großeltern einkaufen. Und die Mitarbeiter, die nicht alt sind, scheinen nur darauf zu warten, alt zu werden, damit sie dieselbe weise Wärme ausstrahlen können.
Geh zu „John Lewis“, wie ich neulich, wedle mit einem Paar Rollläden herum, das du vor über einem Jahr gekauft und für das du keinen Zahlungsbeleg hast – einen davon hast du aus der Packung gerissen, nur um festzustellen, dass er nicht passt –, und du wirst sehen, dass sie dich nicht auslachen und wegschicken werden, wie jeder andere Verkäufer das tun würde. Stattdessen werden sie milde lächeln, bevor Sie dir kommentarlos die richtige Größe aushändigen. Natürlich machen sie das. Sie sind deine Großeltern. Sie kennen deine kleinen Schwächen. Dass du beispielsweise deine Fenster nicht richtig ausmessen kannst und deine Belege nicht ordentlich nach Datum und Jahr geordnet aufbewahrst. Sie haben Verständnis.
Ich bin nicht die Einzige, die sich an den schützenden Busen von „John Lewis“ schmiegt. „John Lewis“ hat durchaus prominente Anhänger. Unlängst wurde in den Nachrichten gesagt, dass die Labour-Partei plant, den öffentlichen Dienst nach dem Vorbild von „John Lewis“ zu gestalten, wahrscheinlich meinen sie damit eher die Aktienbeteiligung der Angestellten und nicht das wissentliche Unterbieten der Konkurrenz. „John Lewis“ war schon immer ein Abbild Großbritanniens – bescheiden, zurückhaltend und mit der sprichwörtlichen „stiff upper lip“ ausgestattet –, und jetzt scheint sich Großbritannien zu revanchieren.
Aber nicht nur das. Unter den vielen loyalen Kunden und Kundinnen ist sogar die Queen, deren offizieller Ausstatter für Kurz- und Haushaltswaren „John Lewis“ ist. Und weil „John Lewis“ inoffiziell auch mich mit Kurz- und Haushaltswaren ausstattet, kann ich mich der angenehmen Fantasie hingeben, dass ich die gleiche Bettwäsche und die gleichen Reißverschlüsse wie die Queen besitze. Vielleicht kann ich sie spät in der Nacht anrufen, wenn ich keine Knöpfe mehr habe und „John Lewis“ ungeschickterweise gerade geschlossen ist. Oder vielleicht sollte ich direkt zum Buckingham Palace flüchten, wenn die Zombies in London einfallen, dann könnten die Queen und ich ihnen die Köpfe mit einem gut gezielten, formschönen Teller von „John Lewis“ abtrennen.
Aus dem Englischen von Michaela Schäuble