Editorial

von Jenny Friedrich-Freksa

Neuland (Ausgabe II/2016)

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Foto: Max Lautenschläger


Kaum ein Thema beschäftigt uns zurzeit so sehr wie die sechzig Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind. Es ist kein neues Thema: In den vergangenen Jahren sind durch Krieg, Verfolgung und schlimmste Armut immer mehr Menschen gezwungen gewesen, ihre Heimat zu verlassen. Lange waren die meisten von ihnen als Binnenflüchtlinge in ihren Herkunftsländern unterwegs. Oder blieben zumindest in der Region, aus der sie stammen. Doch je länger die gewaltsamen Konflikte in Syrien, Afghanistan oder Somalia andauern, umso mehr Menschen machen sich auf in entferntere, reichere, sicherere Länder – zu uns, nach Europa und in die westliche Welt, die einem dieser Tage immer mehr wie eine seltene Insel der Seligen erscheint.

In dieser Ausgabe schauen wir auf die Welt von morgen, die sich völlig anders mit Fragen von Migration und Integration wird beschäftigen müssen. Wie können wir Führungspersonen und Autoritäten in Flüchtlingsgemeinschaften stärken?, fragt die israelische Soziologin Eva Illouz. Was können wir von Bürgermeistern lernen, die Einwanderung in ihren Städten managen?, will der amerikanische Politologe Benjamin Barber wissen. Wir erzählen Geschichten aus den Transitzonen in Jordanien oder im Libanon, von Menschen, die nicht zurück nach Hause können, aber auch nirgendwohin sonst. Der deutsche Journalist Ranga Yogeshwar und die aus Palästina stammende Medienwissenschaftlerin Adania Shibli diskutieren die Krise von Nationalstaat und Nation: Sollten Traditionen unser Zusammenleben definieren oder die Realität? Auf die Realität der Gegenwart schauen wir im Kapitel "Ankommen": Wie können Menschen unterschiedlicher Herkunft friedlich zusammenleben? Wo liegen die Probleme, wo die Lösungen?

Viele Menschen, die heute fliehen müssen, werden irgendwann wieder zurückkehren. Andere werden in ihren neuen Heimaten bleiben. Und auch für uns Privilegierte in den Wohlstandsdemokratien wird sich die Welt verändern. Neue Menschen sind da, ihnen muss geholfen werden. Wir können nicht zurück.



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