Die Zitadelle von Erbil

von Annabell Van den Berghe

Wir haben Zeit. Ein Heft über Langsamkeit (Ausgabe II/2015)

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Laut der UNESCO ist die Zitadelle von Erbil deiner er ältesten durchgängig bewohnten Orte der Welt. Foto: Jeffry Ruigendijk


Die befestigte historische Siedlung im Herzen Erbils war einmal eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Irak. Sie gilt als die älteste durchgehend bewohnte Stadt der Welt, deren Spuren bis in das Jahr 6.000 vor Christus zurückreichen. Sie ist ein geschichtliches Bollwerk, das man gesehen haben muss, wenn man die kurdische Region nahe der türkischen und der iranischen Grenze im Nordirak besucht. Im letzten Sommer bevölkerten noch Einheimische und Besucher den Platz vor dem Hügel, heute erscheint er leer. Der „Islamische Staat“ eroberte im Juni 2014 Gebiete im Norden Iraks, heute stehen die Kämpfer vierzig Kilometer vor Erbil. Touristen kommen keine mehr.

Nur ein paar Einheimische kreuzen die Wege der Wächter, Soldaten und Polizisten, die die alte Siedlung schützen. Auf dem Markt, der die Zitadelle umrundet, riechen die Speisen, schmecken die frischen Fruchtsäfte überwältigend. Straßenhändler verkaufen ihre Waren am nahe gelegenen Brunnen und auf den kleinen Rasenflächen vor der Zitadelle, doch ihre Kundschaft hat sich gewandelt. Jetzt wandern Flüchtlinge durch das Stadtzentrum, bloß weg von den Behausungen, den Lagern oder Schulen, in denen sie in den letzten Monaten untergekommen sind. Sie warten darauf, dass der „Islamische Staat“ besiegt wird, damit sie wieder heimkehren können. Bis dahin bietet Erbil ihnen Schutz.

Aus dem Englischen von Karola Klatt



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