Der Wels der Leidenschaft

von Cristino Bogado

Wir haben Zeit. Ein Heft über Langsamkeit (Ausgabe II/2015)

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Der Gefleckte Sorubimwels. Illustration: Lester Scalon


Niemand, der diesen hässlichen Wels zum ersten Mal sieht, würde denken, dass er ausgezeichnet schmeckt. Wenn sein Filet mit Milch oder Käse gekocht wird, zerfällt es bereits auf der Gabel. Für uns Paraguayer ist der Gefleckte Sorubimwels ein heiliger Fisch. Besonders die Männer lieben ihn: Er gilt als Aphrodisiakum. Es gibt viele Legenden über den Wels. Eine der bekanntesten handelt von zwei Freunden, Ignacio und Ramón. Ignacio besaß einen Hut mit einer Krempe aus Jaguarfell, der sein Glückbringer war. Als er einmal mit Ramón Fischotterfallen aufstellte, fing er 15 Otter, Ramón nur einen.

Neidisch auf den Erfolg seines Freundes erstach Ramón Ignacio. Gott verwandelte ihn zur Strafe in einen Sorubim, der ähnlich gemustert ist wie ein Jaguar und der aus Scham über seine Tat nur nachts, wenn ihn niemand sieht, jagt. Den silbrig- bis bleigrauen Raubfisch mit weißem Bauch und dunklen Flecken zu fangen, ist nicht leicht. Er ist eine Art südamerikanischer Moby Dick, der es faustdick hinter den Ohren hat. Tagsüber versteckt er sich am Flussgrund. Wegen der Überfischung ist der Sorubim heute selten geworden – und im Restaurant dementsprechend teuer. Sportangler ziehen aber immer noch bis zu achtzig Kilo schwere Exemplare aus dem Río Paraguay. Die Fische, die man auf dem Mercado Remanso, dem größten Fischmarkt des Landes, zwanzig Kilometer südlich der Hauptstadt Asunción bekommt, sind zwar kleiner, aber nicht weniger lustfördernd.



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