Models und Milcherzeuger

von Christian Eisert

High. Ein Heft über Eliten (Ausgabe I/2015)


Elite ist nicht gleich Elite. Die Unterschiede liegen in der Größe. Beim Grad der Transparenz. Der Farbe. Und gipfeln in der Frage: mit oder ohne Zwickel?

Die Strumpfhosen-Kollektion Elite eines polnischen Strumpfwarenherstellers bietet große Auswahl. Der Zwickel ist ein Stoffstück, das, in die Nahtstellen zwischen den Beinteilen eingesetzt, mehr Bewegungsfreiheit erlaubt. Überhaupt: Elite war im 17. Jahrhundert eine Bezeichnung für hochwertige Stoffe.

Elite ist, wer Macht hat, eine herausragende Funktion, überdurchschnittliches Wissen oder wer durch besondere Leistung glänzt. Hauptthemen der Elite sind Betriebsleitung, Fütterung und Herdenmanagement, so steht es jedenfalls im Inhaltsverzeichnis von Elite – Magazin für Milcherzeuger.

Außer Strumpfhosenproduzenten und Landwirtschaftszeitschriften sonnen sich im Glanz des Elitebegriffs Modelagenturen und Hometrainer-Produzenten, sogar eine Firma für Leichenfundortreinigung heißt Elite. Es herrscht Elite-Inflation. Heute sind Spezialwissen und Spezialfähigkeiten für jeden verfügbar. Besondere Leistungen finden sich massenhaft auf Videoplattformen wie YouTube. Der elitäre Zirkel weicht dem egalisierenden Zirkus.

Bilden Menschen, Elite der Säugetiere, größere Gruppen, kristallisieren sich Personen heraus, die mehr wissen, leisten, führen können oder wollen als andere. Sie grenzen sich bewusst von der Masse ab oder werden abgegrenzt. Eliten sind Fixpunkte, an denen sich die einen ausrichten; für andere sind sie Reibungsfläche – wie die Eiche für den Eber. Eliten bilden sich. Ob wir wollen oder nicht.

Dieser Konzentration von Macht, Bildung oder Leistung sollte die Masse weder durch passives Herauf-, noch aggressives Herabschauen begegnen. Fruchtbar wird das Verhältnis durch bewusstes Hin- und gelegentliches Abschauen.

Ein wenig Abstand entspannt das Verhältnis in jedem Fall. Deshalb: Elite immer mit Zwickel.



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