Walbegräbnisse

von Phuong Le Trong

Was machst du? Wie Menschen weltweit arbeiten (Ausgabe II/2013)

-

Der Wal wird in Teilen Vietnams nicht nur als Gottheit verehrt, sondern ziert unter anderem auch Briefmarken. Foto: Pan Xunbin/Shutterstock.com


Für viele Vietnamesen ist er ein mächtiger Gott in den Tiefen des pazifischen Ozeans: der Wal. Entlang der Küstenlinie Zentralvietnams bis hin zum südlichen Mekong-Delta wird er als schützende Gottheit verehrt. Sichten Fischer bei Sturm einen Wal, verstehen sie dies als Zeichen ihrer sicheren Rettung. Strandet ein Wal, so glaubt man, er habe das nächstliegende Fischerdorf als seine letzte Ruhestätte gewählt. Für das Dorf und seine Bewohner ist das eine große Ehre.

Sie fühlen sich in der Pflicht, das Tier auf traditionelle und feierliche Art zu bestatten. Der Finder des Wals ist automatisch der Hauptverantwortliche der Beisetzung. Gemeinsam heben die Dorfbewohner ein Grab aus, legen den Kadaver hinein, bedecken ihn mit roten Seidentüchern und legen Opfergaben hinzu. Ein Tempel wird als Pilgerstätte errichtet. Hier werden in manchen Regionen nach einigen Jahren Knochen des Wals aufbewahrt. Einmal jährlich, meist zum Vollmond im Frühjahr, findet ein Fest zu Ehren des Wals statt.

Die Boote und der Tempel werden festlich geschmückt und gemeinsam wird für das Wohl der Fischer und einen guten Fang gebetet. Bereits in einem Dokument aus dem 18. Jahrhundert wird eine Walbestattung erwähnt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts würdigte sogar der König gestrandete Wale und die auserwählten Dörfer. Die Verehrung der Meeresriesen zeigt sich auch in dem vietnamesischen Wort für Wal, "Cá ông", das übersetzt "ehrwürdiger Fisch" oder "Großvater-Fisch" bedeutet.



Ähnliche Artikel

Menschen von morgen (Köpfe)

Brownies für Ho-Chi-Minh

Die beiden Amerikanerinnen Rachel Lutz, 24, und Tracy Tuning, 24, haben es mit ihrem Projekt bis in den Lonley Planet geschafft. 2004 leiteten sie Vietnamesen a...

mehr


Zweifeln ist menschlich. Aufklärung im 21. Jahrhundert (Köpfe)

Nachts auf der Straße

Eigentlich wollte Michael Brosowski in Vietnam nur Urlaub machen

mehr


Selbermachen (Bücher)

Hundert Jahre Gewalt

von Sabine Scholl

Die vietnamesische Autorin Nguyen Phan Que Mai erzählt eine Familiengeschichte aus ihrem kriegsgebeutelten Heimatland

mehr


Jäger und Gejagte (Thema: Mensch und Tier)

Dem Frühling entgegen

von Francesca Buoninconti

Wale, Schildkröten, Zugvögel: Viele Tiere wandern jedes Jahr um die Welt. Doch ihre uralten Routen sind in Gefahr

mehr


Nonstop (Was anderswo ganz anders ist)

Essen mit Gefühl

von Kim Thuy

In Vietnam spricht man nicht offen über seine Gefühle

mehr


Das neue Italien (Die Welt von morgen)

Kein Platz für die Toten

Eine Kurznachricht aus China 

mehr