Bis in die 1960er Jahre gab es einen lebhaften Wissenschaftsaustausch zwischen beiden deutschen Staaten. Reisen in den Westen waren für ostdeutsche Naturwissenschaftler nichts Ungewöhnliches, und die naturwissenschaftlichen Gesellschaften und Institutionen waren gesamtdeutsche Einrichtungen. Dies änderte sich erst in den 1970er Jahren, als staatlich kontrollierte Austauschprogramme mit westlichen Staaten die bisherigen Freiheiten reglementierten. Die Dissertation von Jens Niederhut greift auf unveröffentlichtes Material des Zentralkomitees der SED, der Deutschen Akademie der Wissenschaften und auf Quellen des Bundesarchivs in Koblenz zurück. Der Autor beschreibt am Beispiel der Physikalischen und der Chemischen Gesellschaften, der Gesellschaft Deutscher Naturforscher, der Leopoldina und des Chemischen Zentralblatts Kooperationen und Konkurrenz im deutsch-deutschen Verhältnis. Weitere Untersuchungsebenen stellen die Kontakte der DDR zu den internationalen, nichtstaatlichen Wissenschaftsunionen wie dem „International Council of Scientific Unions“ und den naturwissenschaftlichen Austausch zwischen der DDR und den Vereinigten Staaten von Amerika dar. Wissenschaftlicher Internationalismus, so der Autor, hat dazu beigetragen, die Herrschaft der SED brüchig werden zu lassen.
Wissenschaftsaustausch im Kalten Krieg. Die ostdeutschen Naturwissenschaftler und der Westen. Von Jens Niederhut. Köln: Böhlau Verlag, 2007. 374 Seiten.