Polnische Verleger kaufen schon seit einiger Zeit sehr gerne Lizenzen für deutsche Bücher. Seit 2005 ist Polen Jahr für Jahr Weltmeister, was die Zahl der Übersetzungen aus dem Deutschen angeht. Und selten passiert es, dass ein in Deutschland populärer Roman oder Ratgeber keinen interessierten Verleger in Polen findet.
Auf die Belletristik entfallen beinahe die Hälfte der verkauften Lizenzen. Sehr gut aufgenommen wurden in Polen die historischen Romane von Iny Lorentz, herausgegeben in Katowice vom Verlag Wydawnictwo Sonia Draga. Auch fünf Titel des Autorenpaares Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath wurden bis jetzt auf Polnisch veröffentlicht und von jedem wurden über 100.000 Exemplare verkauft, was in Polen ein sehr gutes Ergebnis ist. Als Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath dieses Jahr auf die Warschauer Buchmesse eingeladen waren, standen Hunderte von Lesern an, um sich ihre Bücher signieren zu lassen. Wenn man den Erfolg anderer ausländischer Autoren von historischen Romanen bedenkt, etwa des US-Amerikaners Matthew Pearl („The Dante Club“) oder des Spaniers Ildefonso Falcones („La Catedral del Mal“), zeigt sich, dass diese Gattung in Polen viele Anhänger hat.
Für deutsche Krimis und Thriller sieht es leider etwas schlechter aus. Da dominieren US-amerikanische Autoren schon längst den Markt. Allerdings gibt es Ausnahmen. Der Verlag Wydawnictwo G+J hat viele Thriller von Sebastian Fitzek veröffentlicht, Wydawnictwo Sonia Draga gibt Charlotte Link heraus und der Verlag Wydawnictwo Dolnoslaskie konnte erfolgreich „Der Schwarm“ von Frank Schätzing verkaufen.
Auch für die anspruchsvolle Literatur gibt es in Polen natürlich einen Markt. Herta Müllers Bücher waren zwar schon ins Polnische übersetzt, als sie den Nobelpreis bekam, aber besonders ihr letztes Buch „Atemschaukel“ hat danach viele neue Leser gewonnen.
Auf ein ziemlich großes Interesse stieß auch „Die Mittagsfrau“ von Julia Franck, das zweite in Polen bei Wydawnictwo W.A.B. veröffentlichte Buch dieser Autorin. Über dieses Buch, dessen Übersetzung im Rahmen eines Projekts des Goethe-Instituts gefördert wurde, haben sogar die größten polnischen Zeitungen geschrieben. Dennoch ist die Zahl der verkauften Exemplare nicht so beeindruckend wie im Fall von Iny Lorentz. Es hängt damit zusammen, dass solche Bücher ganz andere Leser finden. Der deutschen und österreichischen Übersetzungsförderung verdanken die polnischen Leser auch andere anerkannte Autoren wie Wilhelm Genazino, Christoph Ransmayr und Arnold Stadler.
Unter den Büchern, die als Non-Fiction bezeichnet werden können, werden am meisten Lizenzen für Ratgeber und Geschichtsbücher verkauft. Ratgeber zum Thema Motivation, individuelle Entwicklung, Lebensstil und Gesundheit finden in Polen schnell einen Verleger, da sie sehr leicht auf die polnischen Verhältnisse übertragbar sind. Der polnische und der deutsche Lebensstil in Bezug auf Hobbys, Freizeitaktivitäten und Geschäftsmethoden sind sich sehr ähnlich. Ein gutes Beispiel dafür ist die Serie „Simplify your life“ von Marion und Werner Tiki Küstenmacher, die in Polen von Wydawnictwo Studio Emka herausgegeben wird. Außer der kulturellen Nähe verbindet Deutsche und Polen ihre gemeinsame Geschichte.
Die meisten der übersetzten Geschichtsbücher handeln vom Zweiten Weltkrieg. Großes Interesse erregt jedes neue Buch von Martin Pollack, der literarische Reportagen über polnische Themen schreibt, etwa die Geschichte Galliziens, aber auch länderübergreifende wie den Nationalsozialismus. Auf ähnliches Interesse stoßen in Polen deutsche Biografien und Erinnerungen, die meistens auch vom Krieg handeln. Einen großen Erfolg brachte auch die Wiederauflage der Hauptwerke von Bestsellerautor Jürgen Thorwald, „Das Jahrhundert der Detektive“ und „Das Jahrhundert der Chirurgen”. Zwar hatte Thorwald im Dritten Reich unter seinem eigentlichen Namen Heinz Bongartz Propagandabücher über die Luftwaffe verfasst, dennoch gelangten die neuen Ausgaben auf die polnischen Bestellerlisten aufgrund Thorwalds Fähigkeit, schwierige Sachverhalte einfach und verständlich darzustellen.
Während die deutsche Belletristik und Nicht-Belletristik regelmäßig ins Polnische übersetzt werden, sieht es für die Kinder- und Jugendliteratur weniger erfreulich aus. Da greifen die Verleger nach den internationalen Bestsellern. Auf der Welle des Interesses für Vampire veröffentlichte der Verlag W.A.B. den Zyklus von Angela Sommer-Bodenburg „Der kleine Vampir“. Im Verlag Wydawnictwo Nasza Klasa erschienen dafür alle Titel von Isabel Abedi.
Erfreulich erscheint die Tatsache, dass schon seit einer geraumen Zeit so viele deutsche Bücher ins Polnische übersetzt werden. 2009 wurden 525 Lizenzen verkauft, im Jahr davor 765.
Aus dem Polnischen von Anna Kryczynska-Pham