Miss Daisy und ihr Chauffeur

von Christine Müller

Atatürks Erben. Die Türkei im Aufbruch (Ausgabe IV/2008)


Elfriede Biesmann ist 82 Jahre alt. Bereits in jungen Jahren erkrankte die gelernte Sekretärin an Rheuma und ging in den 1960er- Jahren in Rente. Als sie vor sieben Jahren die Treppen in ihrem Eigenheim nicht mehr bewältigen konnte, zog sie mit ihrem Mann in eine betreute Wohnanlage in Köln, die vom Malteser Hilfsdienst geleitet wird und in der auch junge Familien wohnen: „Wenn ich aus dem Küchenfenster schaue, sehe ich Leben – ich weiß schon, wer gegen neun Uhr mit Kind oder Hund durch den Park spaziert.“Thomas Lieb ist gelernter Kaufmann. Der 46-Jährige arbeitet bei den Ford-Werken in der Materiallogistik. In ihrem Alltag würden sich Frau Biesmann und Herr Lieb wohl nicht begegnen – wäre da nicht der Kulturbegleitdienst, den die Malteser in Kooperation mit den Ford-Werken anbieten. Alle vier Wochen wird der Besuch einer kulturellen Veranstaltung organisiert. Die Ford-Leitung stellt dafür Autos zur Verfügung und ihre Mitarbeiter für bis zu zwei Tage pro Jahr frei. Sie holen die Rentner mit Kleinbussen ab, bringen Rollstühle mit und begleiten sie bei Theaterbesuchen, Stadtführungen oder Zoobesuchen.

Den Hintergrund des Engagements erklärt Lieb damit, dass „soziale Verantwortung die globale Zielsetzung“ des US-amerikanischen Unternehmens sei. Ein hoher Anspruch –zumal das Image von Automobilherstellern, seitdem Politik und Medien den Klimaschutz wieder entdeckten, ziemlich ramponiert ist. Aber nicht nur Global Player wie Ford – der Konzern ist in über 140 Ländern der Erde vertreten – auch deutsche Unternehmen proklamieren die „Corporate Social Responsibility“ zunehmend für sich. Nach Definition der Europäischen Kommission basiert diese auf der freiwilligen Basis der Unternehmen, „soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit“ zu integrieren.

Lieb findet es „persönlich sinnvoll, im Kulturbegleitdienst mitzuarbeiten“, da er zum einen den älteren Menschen Hilfestellungen geben kann, zum anderen die Perspektive der Begleiteten interessant finde. Auch die Sichtweise auf die eigene Umgebung ändert sich: „Man selbst sieht die Stadt plötzlich mit anderen Augen, da man ständig schauen muss, wo man mit dem Rollstuhl passieren kann oder nicht.“ Die 82-jährige Elfriede Biesmann kennt diese Perspektive sehr gut. Auch wenn sie durch die Unterstützung ihres Mannes noch relativ mobil ist, betont sie: „Die Ausflüge sind für viele der Bewohner ein Lichtblick. Sie sind zwar nicht von finanzieller, aber von sozialer Armut betroffen. Man unterhält sich aber eher über die Veranstaltung als über Privates.“ Dass die Betreuer oft wechseln, bedauert sie, da dies für beide Seiten teilweise schwierig sei. Trotzdem ist ihr Fazit positiv: „Die Ehrenamtlichen sind voll dabei. Denn alles, was sie freiwillig machen, machen sie aus Liebe.“



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