Wirkung lässt sich feststellen

von Ute M. Metje

Frauen, wie geht's? (Ausgabe IV/2007)


Im engsten Sinne des Wortes meint Evaluation „Bewertung“ von Strukturen, Programmen, Projekten, Themen oder Prozessen in unterschiedlichsten Bereichen, wie in der Entwicklungspolitik, im Gesundheits- und Bildungswesen und im Kultursektor. Evaluationen sind somit abhängig vom Kontext (Was soll wie bewertet werden?) und vom Zweck (Wer gibt den Auftrag mit welchen Zielen?). Bereits hier wird das Problem deutlich, denn Kultur und deren Bewertung, die immer auch auf eine Kosten-Nutzen-Analyse abzielt, sind keine kongruenten Größen. Der kulturelle Sektor hat viel mit Subjektivität, mit Freiheit und Vielfalt zu tun, weniger dagegen mit betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Rechnung. Die Frage lautet, inwieweit sich Merkmale finden lassen, um die Wirkung von Kulturprojekten und -programmen im engeren Sinne zu bewerten, und welche Rolle ökonomische Aspekte dabei spielen.

Seit jeher haftet Evaluationen ein doppelter Charakter an, denn sie werden sowohl zur Sicherung der Arbeitsqualität als auch als Kontrollinstrument eingesetzt. Diese doppelte Funktion macht Evaluationen so brisant, weil sie immer auch Ausdruck eines politischen Prozesses sein können. Momentan boomt der Evaluationsmarkt, und die Lukrativität von Theatern, Museen oder Events steht nun ebenfalls auf dem Prüfstand, da die öffentlichen Kassen leer sind. Darauf sollte sich die Praxis jetzt einstellen, denn trotz aller verständlichen Skepsis und gebotenen Sensibilität sind Evaluationen auch im Kulturbereich durchführbar. Sich evaluierend dem Kultursektor anzunähern, heißt, neue Verfahren zu entwickeln und mit erprobten Methoden zu experimentieren, die dennoch eine systematische Bewertung möglich machen.

Kultur ist nicht in die gängigen Kriterien und Verfahren zu pressen. Flexibilität ist daher eine notwendige Voraussetzung für ein gezieltes und differenziertes Evaluationsdesign. Zentrale Fragen und Kriterien, die noch vor Beginn der Evaluation, im Idealfall partizipativ, also mit allen Projektbeteiligten erörtert werden sollten, sind folgende: Definieren der Gütekriterien: Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness und Genauigkeit. Wer ist die Zielgruppe respektive, was soll erreicht werden? Hat sich das Projekt realistische Ziele gesetzt? Welche Veränderungen können realistischerweise erwartet werden, und in welchem Zeitrahmen?

Welches sind die Kriterien für Qualität, Output, Outcome oder die Wirkung des „Produkts“? Welche Rolle spielen betriebswirtschaftliche Aspekte? Wer sind die verschiedenen Akteure, und welche Interessen verbinden sie mit dem Projekt? Welche Kriterien haben sie selbst für den Erfolg oder Misserfolg? Die letzte Frage stellt den Bezug zur ethnologischen Perspektive dar, die eine ideale Haltung für die Erfordernisse von Evaluationen im Kulturbereich bietet. Sie rückt die Sichtweise der Akteure ins Zentrum, beschränkt sich nicht auf eine Ebene, sondern lässt Vertreter aller Funktionsebenen und Berufsgruppen eines Unternehmens, einer Institution, eines Programms oder Projekts zu Wort kommen. Die Übertragung und systematische Berücksichtigung der Daten aus den verschiedenen Perspektiven und Interessen heraus, macht die Stärke und besondere Qualität der Methode aus.

Beispiel: In einem kulturellen Projekt ging es um die Sensibilisierung von Jugendlichen in Berufsschulen in Hinblick auf Gewaltfreiheit sowie religiöse und sprachliche Vielfalt. Explizites Ziel war es dabei, zunächst dieses Sozialtraining zu implementieren und dafür zu sorgen, dass die Schüler regelmäßig teilnahmen. Implizite Ziele waren das Aufzeigen von Konfliktlösungsstrategien und der Abbau von Gewaltbereitschaft. Dabei setzten die impliziten Ziele zunächst die regelmäßige Teilnahme voraus. Die besondere Herausforderung lag darin, Methoden und Kriterien zu entwickeln, anhand derer sich Veränderungen innerer Haltungen messen lassen.

Das gesamte Projektsetting legte eine ethnographisch ausgerichtete Evaluation nahe, in der die Jugendlichen in verschiedenen Abständen regelmäßig befragt wurden. Zugleich konnten durch die teilnehmende Beobachtung während des Unterrichts die Perspektiven von Schülern und Lehrern erhoben werden. Informelle Gespräche, Feedbackrunden sowie die Teilnahme an Lehrerkonferenzen brachten fundierte Erkenntnisse über die Akzeptanz und Wirkung des Sozialtrainings. In diesem Fall waren das passgenaue Evaluationskonzept sowie die Methodenvielfalt entscheidend, um die angestrebten Ziele angemessen zu bewerten.

In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit von Kultur muss zukünftig die Frage aufgeworfen werden, was uns Kultur überhaupt wert ist.Und welche Rolle Einflussgrößen wie Kreativität, Zufriedenheit, Gesellschaftskritik sowie Gemeinschaftsbildung spielen? Mit anderen Worten: Welche Kriterien zur Bewertung von Kultur brauchen wir, auch wenn sie sich nicht geldwert ausdrücken lassen? Das sind die besonderen Herausforderungen an Evaluationen im Kultursektor.



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