„Auf der Plaza Italia, in Santiago de Chile, steht eine Statue des Generals Baquedano (1823-1897). Sie wurde vor mehr als 100 Jahren errichtet. Im Salpeterkrieg (1879-1884) zwischen Chile, Peru und Bolivien spielte der General eine wichtige Rolle. Viele Kindersoldaten verloren in diesem Konflikt ihr Leben. Als Chile noch eine spanische Kolonie war, kämpfte das chilenische Militär außerdem ständig gegen die indigenen Mapuche. Baquedano war auch an diesen Kampagnen gegen die Mapuche beteiligt. Erst nach Chiles Unabhängigkeit konnten die Mapuche besiegt werden, viele verloren ihr Leben. Baquedano war ebenfalls an dieser sogenannten Befriedung von Aurakanien beteiligt – in dieser südlichen Region Chiles fanden die meisten Kämpfe statt. Bis heute leiden die Mapuche unter der Ungleichbehandlung, die ihnen widerfährt.
Bei den großen Protesten 2019 wurde die Plaza Italia zu einem zentralen Ort. Die Protestbewegung benannten den Ort um, in Plaza Dignidad. Die Menschen protestierten für bessere Lebensbedingungen im Allgemeinen aber auch gegen die Ungleichheit, unter der die Mapuche leiden. Während der Proteste bedeckten die Protestierenden Baquedanos Statue mit Mapucheflaggen und sie malten das Monument komplett rot an. Die Regierung reinigte die Statue und malte sie wieder in ihrer Originalfarbe an, so ging das hin und her.
Monumente, Statuen, das nationale Erbe – all diese Dinge sind nicht statisch. Sie interagieren mit ihrer Umwelt und den Menschen, die aber unterschiedliche Vorstellungen haben können, wie sie sich dieses Erbe zueigen machen wollen. Während der Proteste 2019 wurden Menschen vom Militär getötet. In diesem Lichte, als Erinnerungsfigur des Militärs, nehmen die Leute Baquedano heute anders wahr, auch, weil sie bisher keine vollständige Gerechtigkeit nach der Militärdiktatur Pinochets erfahren haben. Die Protestierenden wollen das Denkmal loswerden, die Regierung nicht – sie tut fast so, als würde sie dann einen Krieg verlieren.“
Dafna Goldschmidt ist eine chilenische Archäologin.