„Städte verändern sich. Sie sind lebendige Körper und ständig in Bewegung. Manchmal sind die Veränderungen zaghaft und langsam, fast nicht wahrnehmbar; andere Male sind sie abrupt, sogar gewaltam. Viele Straßen von Buenos Aires tragen Namen ehemaliger Militärangehöriger, grauer und getrost zu vergessender Funktionäre, die unglaublicherweise auf dem Schild am einer Straßenkreuzung überdauern. Im Lauf der Jahrzehnte wurde einige der Namen von Straßen und Alleen geändert; Canning wurde zu Scalabrini Ortiz, Serrano heißt heute Jorge Luis Borges. Die Stadt wechselt ihre Haut wie der menschliche Körper, von dem gesagt wird, dass er alle sieben Jahre sämtliche lebenden Zählen erneuert.
Hin und wieder lösen diese Veränderungen größere Erschütterungen aus. 2013 ordnete die damalige Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner an, die Kolumbusstatue hinter dem Regierungspalast zu entfernen. Es kam zu einem riesigen Skandal und die Empörung in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen wurde noch stärker, als bekannt wurde, dass sie das Staatsoberhaupt durch eine Büste von Juana Azurduy ersetzen würde, eine der wenigen Frauen, die sich an den Volksaufständen beteiligten, die zur argentinischen Unabhängigkeit 1810 führten. Die Kritiker des neuen Denkmals bezeichneten Azuruy als „Guerillera“. So haben wir eigentlich in Buenos Aires damit angefangen, über eine Frage nachzudenken, die nun Städte weltweit beschäftigt.
In mehreren argentinischen Orten wird derzeit vorgeschlagen, Statuen von Julio A. Roca zu schleifen. Der Ex-Präsident war verantwortlich für den Genozid an der indigenen Bevölkerung und gilt deshalb als höchst umstrittene Persönlichkeit. “Roca entdenkmalisieren” ist die feine Losung der Aktivisten. Aber was ist ein Denkmal? Ist es unbedingt eine Ehrung oder kann es auch eine Erinnerung sein, sogar eine Warnung? Ich glaube, wir müssen uns auch dieser Frage stellen. Die Vergangenheit wird ständig einer Revision unterzogen und Büsten von Männern von gestern erinnern uns, wer wir waren. Vielleicht mag es spannender sein, statt diese Gegenstände einfach zu stürzen, sie zu unterminieren, wie dies auch schon gemacht wird: Sie in Transvestiten zu verwandeln, zum Beispiel, oder zu Clowns zu machen. Die Vergangenheit neu zuschreiben, ohne sie auszuradieren, Städten neue Schichten hinzufügen, als ob sie Bilder, Gemälde wären.“
Mauro Libertella ist ein argentinischer Schriftsteller. Übersetzung: Timo Berger