Februar 2023
Maryna Shcherbenko, Sie leiten das Shcherbenko Art Center. Wie gehen Sie mit praktischen Problemen wie Stromausfällen oder Problemen mit der Internetverbindung um?
Ein Teil unseres Teams ist ins Ausland gezogen und arbeitet von dort aus weiter, solange der Krieg in der Ukraine andauert. Es gibt verschiedene Probleme, die unsere Arbeit behindern, abgesehen vom fehlenden Strom sind es die ständigen Alarme, bei denen wir in den Luftschutzkeller müssen.
Seit Beginn der russischen Invasion haben wir zwei Projekte in unseren Räumen in Kiew durchgeführt. Noch am 16. Februar 2022, kurz bevor der Krieg begann, hatten wir die Ausstellung „Merger“ der ukrainischen Künstlerin Oleksandra Tokareva eröffnet.
Sie zeigte eine Serie von Aquarellen, an denen sie zwei Jahre lang gearbeitet hatte. Nach dem russischen Angriff am 24. Februar mussten wir die Ausstellung schließen, aber glücklicherweise konnten wir sie im August erneut öffnen.
„Seit dem Einmarsch der Russen ist es für eine Kunstinstitution sehr schwierig, voll zu funktionieren. Unser Publikum hat sich verändert, und auch die Ansprüche der Besucher haben sich geändert“
Nach der Schau von Tokareva haben wir etwas ganz anderes auf die Beine gestellt. Seit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine ist es für eine Kunstinstitution sehr schwierig, voll zu funktionieren. Unser Publikum hat sich verändert, und das gilt auch für die Ansprüche der Besucherinnern und Besucher.
Deshalb haben wir uns mit ‘etchingroom1’ zusammengetan, einem Grafikstudio, das die ukrainischen Künstlerinnen Kristina Yarosh und Anna Khodkova betreiben. Zusammen mit ihnen eröffneten wir am 8. September das partizipative Temporäre Atelier in unseren Räumen in Kiew.
Die Künstlerinnen brachten ihr Equipment für den Druck von Radierungen, ihre Möbel, Blumen und allerlei Material mit in die Galerie. Sie nutzten den Ausstellungsraum als temporäres Atelier, und die Besucher konnten den Schaffensprozess mit verfolgen oder sich daran beteiligen.
„Viele Arbeiten haben etwas von einem Tagebuch. Die Künstler halten Ereignisse, Zustände und Gefühle fest – eine Art Bewältigungsstrategie“
Auf diese Weise wurde die Kunst zu einem therapeutischen Mittel, wobei sich eine traditionelle Technik beibehalten und vorführen ließ. Wir veranstalteten einen Pop-up-Verkauf für die Drucke und einen „Print & Drink“-Abend, bei dem die Besucherinnen und Besucher ihre eigenen Bilder mit Linolschnitten auf T-Shirts oder Papier drucken konnten.
Solche Veranstaltungen haben uns mental wirklich geholfen. Schließlich ist es sehr schwierig, während eines Stromausfalls zu arbeiten. Einige Meetings mit Besuchern haben wir bei Kerzenlicht abgehalten.
Manche Veranstaltungen mussten wir verschieben, weil vor russischen Angriffen gewarnt wurde. Heute zum Beispiel musste ich einige Sitzungen wegen des Beschusses von Kiew absagen. Daran kann man sich einfach nicht gewöhnen!
Wie hat sich Ihr Programm seit dem Krieg entwickelt?
Wir haben uns mehr auf Projekte im Ausland konzentriert. Ich habe zum Beispiel die Ausstellung „Give Me Tomorrow“ organisiert. Da gibt es Werke ukrainischer Künstler aus verschiedenen Bereichen wie Skulptur, Video oder Malerei zu sehen. Viele haben etwas von einem Tagebuch. Die Künstler halten Ereignisse, Zustände und Gefühle fest.
Es ist eine Art Bewältigungsstrategie, ein Versuch, diese schwierigen Monate zu überstehen, indem man sie reflektiert und die Gegenwart einfängt. Wir haben diese Ausstellung bereits in Lissabon und in Edmonton in Kanada gezeigt.
Zurzeit arbeiten wir zusammen mit dem Tschechischen Zentrum in Sofia an einer Reihe von Fensterausstellungen. Wir haben gerade eine Schau von Vlada Ralko beendet mit Arbeiten aus ihrer Serie „Lviv Diary“. Vlada und ihr Mann waren nach dem Einmarsch der Russen nach Lwiw gezogen. Mit ihren Zeichnungen auf A4-Papier dokumentierte sie ihre Erfahrungen, Gedanken und Gefühle. Als Nächstes werden wir in der Fenstergalerie die Ausstellung „Selbstporträts“ der ukrainischen Künstlerin Alewtyna Kachidse eröffnen.
Außerdem arbeite ich an einem langfristigen Projekt weiter, dem Wettbewerb „Young Ukrainian Artists“, den ich seit 2009 organisiere. Er richtet sich an junge ukrainische Künstlerinnen und Künstler. Der letzte Wettbewerb fand 2021 vor dem Krieg statt, aber im vergangenen November konnten wir neue Arbeiten der Preisträger im ukrainischen Kulturzentrum in Paris zeigen.
„Viele Künstlerinnen sind ins Ausland gegangen, einige haben kleine Kinder. Das macht es schwierig, sich anzupassen“
Wir versuchen auch, neue Projekte zu entwickeln. Ich recherchiere derzeit über die Situation von Künstlerinnen. Viele von ihnen sind ins Ausland gegangen, einige haben kleine Kinder. Das macht es schwierig, sich an die neue Situation anzupassen. Oft bleiben ihre Ehemänner in der Ukraine, einige sind an der Front, andere arbeiten.
Die Möglichkeiten für männliche Künstler, ins Ausland zu reisen, sind dagegen sehr begrenzt. Daher liegt es vor allem bei den Frauen, in der Sprache der Kunst über den Krieg und seine Auswirkungen auf unser Leben zu berichten. Für dieses Projekt bereite ich eine Reihe von Interviews mit Künstlerinnen vor, die ich veröffentlichen will.
Das Interview führte Atifa Qazi