Kiew, Februar 2023
Dmytro Yarynych, Sie sind der künstlerische Leiter des Osnovy Verlags. Wie hat sich Ihre Tätigkeit seit Kriegsausbruch verändert?
Ende 2021, noch vor Kriegsbeginn, hatten wir gerade einen neuen Flagship-Store im Stadtzentrum von Kiew eröffnet. Mit viel Mühe und Geld haben wir ihn zu einem sehr schönen Lese-Ort mit einem schicken Café und einer schönen Küche gemacht. Aber jetzt haben wir ihn untervermietet, weil wir nicht genug Bücher haben, die wir anbieten können.
Wir mussten auch unser Büro untervermieten, weil es Probleme mit der Stromversorgung und dem Internet gab, ganz zu schweigen von dem ständigen Bombenalarm und der Tatsache, dass viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen langen Weg zum Büro im Stadtzentrum hatten.
Im Moment sitze ich an der Tankstelle, die zu einem Co-Working Space geworden ist. Die meisten Tankstellen hier sind mit einem Supermarkt und Imbiss ausgestattet, sie bieten also ein gutes Arbeitsumfeld.
Heute habe ich viele Besprechungen und Aufgaben zu erledigen, und ich bin hierhergekommen, weil ich nicht wusste, ob ich zu Hause Strom haben würde, und weil ich hier eine stabile Internetverbindung habe.
„Glücklicherweise geht es uns nicht um die Quantität, sondern vielmehr um Qualität und die Freude, die wir an den Büchern haben“
Osnovy verlegt Bildbände über Kunst, visuelle Kultur, Design und Fotografie. Haben Sie den Schwerpunkt bei Ihren Titeln wegen des Krieges verlagert?
Der Buchmarkt ist aufgrund der Inflation um etwa fünfzig Prozent geschrumpft. Die Leute kaufen weniger Bücher, weil sie sie sich einfach nicht mehr leisten können. Im letzten Jahr haben wir nur wenige Titel veröffentlicht – meist Bücher, die schon vor dem Krieg entstanden sind.
Leider können wir unseren früheren Rhythmus von zehn bis fünfzehn neuen Titeln pro Jahr nicht mehr einhalten. Glücklicherweise geht es uns nicht um die Quantität, sondern vielmehr um Qualität und die Freude, die wir an den Büchern haben.
Wir veröffentlichen jetzt nur noch vier Bildbände pro Jahr, um einem ausländischen Publikum die ukrainische Kunst- und Kreativwirtschaft vorzustellen. Schließlich haben wir der Welt eine Menge zu zeigen.
Wir haben jetzt einen Amazon Store und Kontakte zu vielen kleinen Buchläden rund um den Globus. Bis jetzt läuft es ganz gut – schließlich müssen wir als kleiner unabhängiger Verlag nicht Zehntausende von Büchern verkaufen.
„Langfristig bereiten wir ein Buch über die Auswirkungen des Krieges auf die Architektur und den Wiederaufbau danach vor“
Woran arbeiten Sie derzeit?
Aktuell haben wir UANDERWEAR zusammengestellt, ein interdisziplinäres Buch über die ukrainische Lingerie- und Unterwäscheszene. Es gibt Hunderte von Marken, kleine und mittlere Unternehmen, die inmitten des Krieges weiterarbeiten. Unser Buch enthält Interviews und persönliche Geschichten, aber auch Designentwürfe und Fotostrecken.
Außerdem wollen wir andere kleine ukrainische Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen, zum Beispiel solche, die Lederwaren, Kerzen, Spielzeug oder Babyartikel und mehr herstellen.
Auch auf die ukrainische Restaurantszene werfen wir einen Blick. Sie ist trotz des Krieges überraschenderweise in ziemlich guter Verfassung. Ein Dutzend neuer Restaurants und Cafés mit großartiger Küche und Design haben im Sommer eröffnet. Vor Kurzem war ich in einem großen neuen Lokal im Stadtzentrum, und es war überfüllt.
Und langfristig bereiten wir ein Buch über die Auswirkungen des Krieges auf die Architektur und den Wiederaufbau danach vor.
„Wir tun, was wir können, und passen unsere Arbeitsweise ständig an“
Wie kommen Sie finanziell zurecht?
Zeitweise hatten wir kein Geld, um die Gehälter zu zahlen, und dachten, dass uns die Mittel endgültig ausgehen. Also baten wir Kundinnen und Kunden um eine Vorauszahlung auf noch nicht veröffentlichte Bücher und haben Kulturfördermittel beantragt. Das klappte gerade noch rechtzeitig.
Wo stellen Sie Ihre Bücher her?
Wir produzieren in Charkiw in der Ostukraine. Dort gibt es riesige Druckereien, die ständig in Betrieb sind, aber oft unter Beschuss stehen, was ein Risiko darstellt.
Außerdem müssen wir unsere Produktionspreise alle zwei Wochen neu kalkulieren, da die meisten Ressourcen importiert werden. Wir tun, was wir können, und passen unsere Arbeitsweise ständig an. In Anbetracht der aktuellen Situation könnte es uns noch schlechter gehen.
Das Interview führte Atifa Qazi