Von Sandro Gvindadze, Tbilisi
25. März 2022
Tausende erschienen zu den Antikriegs-Kundgebungen in Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens. Seitdem versammeln sich jeden Tag Bürger*innen vor dem Parlamentsgebäude, um auf Transparenten ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk zu bekunden. Die Proteste werden zusätzlich befeuert durch die Weigerung der georgischen Regierung, Sanktionen gegen den Kreml zu verhängen, was zu öffentlicher Empörung führt.
„Ich werde keine Entscheidung treffen, die sich gegen die nationalen Interessen unseres Landes und den Interessen unseres Volkes richtet”, sagte Premierminister Irakli Gharibaschwili. Obwohl in den vergangenen acht Jahren deutlich engere wirtschaftliche Beziehungen zur EU geknüpft wurden, ist die georgische Wirtschaft auch weiterhin stark abhängig von Russland. Doch die Demonstrant*innen lassen sich davon nicht beirren. Der Krieg in der Ukraine ist für sie eine persönliche Angelegenheit.
„Mit dem Angriff auf die Ukraine hat Russland auch Georgien angegriffen”, erklärte mir einer der Demonstranten vergangenen Samstag. Während des russisch-georgischen Krieges vor fast 14 Jahren, im August 2008, hielten die Panzer nur vierzig Kilometer vor unserer Hauptstadt. Ein paar Monate später erkannte Russland die Unabhängigkeit Südossetiens und einer weiteren abgespaltenen Region, Abchasien, an. Das alles fühlt sich verblüffend ähnlich an.
Georgien folgte dem Beispiel der Ukraine und stellte ebenfalls einen EU-Beitrittsantrag
Mehr als fünfzig zivile Organisationen haben hierzulande eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der Ukraine veröffentlicht. Verschiedene gemeinnützige Verbände und private Organisationen haben rund eine Million Euro Spendengelder, Lebensmittel, Medikamente und andere humanitäre Hilfe gesammelt und bereitgestellt.
Dennoch gibt es in Georgien auch Stimmen, die den anhaltenden Krieg befürworten. In der abgespaltenen Region Südossetien gab es am 3. März Demonstrationen, die Putins „Militäroperation” unterstützten. Das war derselbe Tag, an dem Georgien dem Beispiel der Ukraine folgte und ebenfalls einen EU-Beitrittsantrag stellte.
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit dem CrossCulture Programm des ifa.
Sandro Gvindadze ist Journalist und lebt in Tbilisi. Dort arbeitet er für den georgischen Nachrichtendienst beim Radio Liberty und schreibt unter anderem für die taz in Berlin.