Was heißt eigentlich?
Schabbiha
Schlägertrupps
Bezeichnung für alle, die Staatsmacht mit Gewalt verteidigen, einst besonders für Schlägertrupps unter Baschar al-Assad verwendet, jetzt auch für solche unter dem neuen Regime. Als Schabbah („Geist“) war in Syrien nach der Markteinführung 1990 die Mercedes S-Klasse W140 bekannt geworden – wohl wegen ihres ruhigen Fahrverhaltens. Bevorzugt wurde sie vor allem von Assad-nahen Banden, die den Wagen zur Einschüchterung der Bevölkerung einsetzten, was dazu führte, dass die Menschen sie Schabbiha („Geister“) und ihr gewalttätiges Verhalten „Taschbih“ nannten. Während des Aufstands von 2011 setzte das Assad-Regime diese Schabbiha zur Unterdrückung von Protesten ein.
Hurrija
Freiheit
Der Begriff „hurr“ („frei“) wurde verwendet, um Oppositionelle von anderen zu unterscheiden, und tauchte etwa im Zusammenhang mit der Gründung der „Freien Syrischen Armee“ im Juli 2011 auf. Das Assad-Regime wurde nicht nur als repressive Macht gesehen, sondern als Besatzungsmacht. Die Eroberung von Gebieten durch oppositionelle Milizen wurde deshalb zur „Befreiung“. Es entstand der Slogan „Wer befreit, entscheidet“, der den Kämpfern das Recht zusprach, über das Schicksal des Landes zu bestimmen. Dies nahm dem Begriff „Hurrija“ den Grundrechtscharakter und machte Freiheit zu einem Privileg der Kämpfenden.
Takwi’
Richtungswechsel
Bezeichnung für den Wandel einstiger Assad-Anhängerinnen und -Anhänger, die nun die Revolution unterstützen. Auch verwendet für Leute, die gegen Ahmed al-Scharaas Miliz Hai’at Tahrir al-Scham waren und nun zu seinen Anhängern geworden sind. Der Begriff ist zudem auf Al-Scharaa selbst ausgeweitet worden, der anders als früher nun einen kurzen Bart und Anzüge trägt. In diesem Fall steht „Takwi’“ für die Abkehr von seiner salafistisch-dschihadistischen Vergangenheit. Das Wort stammt vom Substantiv „al-Ku’“ ab, das in der Schmiedekunst das Winkelstück eines Rohres bezeichnet. Das Verbalsubstantiv „Takwi’“ weist auf die Richtungsänderung hin.
Ramadijun Die Grauen
Im syrischen Sprachgebrauch abwertende Bezeichnung für alle, die sich keiner der beiden Konfliktparteien (Assad-Regime und Opposition) anschließen wollten. Die gesamte Bevölkerung wurde mit dem Begriff unter Druck gesetzt. Er leitet sich von der Farbe Grau ab und sollte diejenigen kriminalisieren, die sich nicht der Schwarz-Weiß-Dichotomie fügen wollten. Die „Grauen“ wurden als feige oder gewissenlos gebrandmarkt. Mittlerweile wird „Ramadijun“ spöttisch für Leute verwendet, die sich weder gegen die neue Regierung noch gegen ihre Gegner klar positionieren.
Taht Saqf al-Watan
Unter dem Dach der Heimat
Unter diesem Titel veröffentlichten Künstler nach Ausbruch der Proteste im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 eine versöhnliche Erklärung. Die Gruppe setzte sich für die Demonstrierenden ein, sprach sich aber auch für Reformen aus, die das Regime in Aussicht stellte. Später instrumentalisierte die Assad-Regierung den Slogan. Akzeptabel war alles „unter dem Dach der Heimat“, alles andere galt als Landesverrat. Nun feiert der Slogan bei den neuen Machthabern ein Revival: Forderungen nach Reformen seien „unter dem Dach der Heimat“ zulässig, Kritik an Al-Scharaa aber gehöre nicht dazu und müsse bestraft werden.
Fulul
Überreste
Der Ausdruck wurde nach dem Sturz Assads verwendet, um Menschen zu beschreiben, die früher in Politik oder Militär für das Regime tätig waren. Der Begriff kam insbesondere nach den Massakern in der Küstenregion im März 2025 auf. Die neuen Behörden beschuldigten die „Fulul“, diese ausgelöst zu haben. Die Anhänger der neuen Machthaber weiteten die Bedeutung auf alle aus, die den Regierungskurs kritisch sehen. Ursprünglich bezeichnet „Fulul“ im Arabischen die Überreste einer besiegten Armee. Auch in Ägypten wurde der Begriff nach der Revolution 2011 verwendet, um die Überreste des Mubarak-Regimes zu beschreiben.
Dschama’at Allah jufarridsch
Die Gott-erleichtere-es -Gemeinschaft
Die Syrer verwenden diesen Ausdruck als noch spöttischere Bezeichnung für die »Grauen« (siehe oben), allerdings mit einem feinen Unterschied: Während „grau“ in der Regel für Menschen verwendet wird, die eine klare, aber öffentlich neutrale Haltung einnehmen, äußern Leute, die zur „Gott-erleichtere-es-Gemeinschaft“ gehören, ihre Meinung nicht offen – obwohl sie eine klare politische Meinung haben. Stattdessen nutzen sie den Ausdruck „Möge Gott Erleichterung bringen“ im Sinne von „Es wird sich schon fügen“ als praktischen Ausweg, um politische Diskussionen zu beenden.
Al-Qa’id
Anführer
Nach Assads Sturz wurde Ahmed al-Scharaa als „Anführer der syrischen Militäroperationen“ bezeichnet. Nachdem er sich zum Präsidenten ernannt hatte, trug er denTitel „Präsident“ in offiziellen Kontexten, „Anführer“ in inoffiziellen. Ein „Anführer“ gilt als außergewöhnliche, weise Person, weshalb Baschar al-Assad wie zuvor auch sein Vater Hafis den Titel „Al-Qa’id“ bevorzugten. „Präsident“ verweist dagegen auf eine Verbindung zum Staatsapparat, auf Wahlen und eine Funktion mit bestimmten Befugnissen und begrenzter Amtszeit – das heißt, es handelt sich um eine Person, die kommen und gehen kann.
Schahid ʼIjan
Augenzeuge
In der Berichterstattung über Syrien wurde und wird der Begriff verwendet, um widersprüchliche Darstellungen zu verbreiten. Die Augenzeugen bleiben meist anonym, angeblich aus Sicherheitsgründen. Diese Praxis öffnete Tür und Tor für die Verbreitung von Hassbotschaften. Syrische Medien legen dem Augenzeugen alles in den Mund, was sie verbreiten wollen, und tun so, als würden sie objektiv berichten. Der Begriff wird auch verwendet, um sich über den Versuch der Medien lustig zu machen, eine eigene politische Agenda zu verbreiten.
Zusammengestellt von Ahmed Mohamed. Mohamed ist ein syrischer Journalist. Er hat 2015 sein Studium an der Fakultät für Journalismus und Medien der Universität Damaskus abgeschlossen und ist auf Wirtschafts- und Sozialfragen spezialisiert.
Aus dem Arabischen von Jannis Hagmann und Maram Taylor