Kultur | Uganda

Bühne frei

Kultur wird in Uganda stark abgewertet. Frauen im Kreativsektor wollen das ändern und ergreifen immer häufiger selbst die Initiative. Leicht haben sie es dabei nicht

Die Tänzerin Lilian Maximillian Nabagalla in einer Aufführung am Kampala National Theatre

Unter tosendem Applaus verlässt die Tänzerin Lilian Maximilian Nabaggala die Bühne, die auf dem Parkplatz eines japanischen Restaurants im Herzen Kampalas aufgebaut ist. Es ist ein milder Märzabend, die Tageshitze ist verflogen, und überall sind Stimmengewirr und Lachen zu hören. Hier haben sich heute rund 150 kulturbegeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer versammelt, um den Abschluss des Obulo-Bwaffe-Festivals mitzuerleben. Nabaggala hat zu diesem Anlass eine Choreografie zur Aufführung gebracht, in der sie Einflüsse aus traditionellen Tänzen mit Elementen des zeitgenössischen Streetdance verbindet.

Zwei Wochen lang widmete sich das von der Njabala Foundation initiierte Festival der kreativen Vielfalt afrikanischer Künstlerinnen – mit Ausstellungen, Workshops und Diskussionsrunden an verschiedenen Orten in der ganzen Stadt. Zu den Förderpartnern zählen internationale Institutionen wie das British Council, das Institut Français und AWARE – das französische Archiv
für Forschung und Ausstellung von Künstlerinnen. Auffällig ist, dass ugandische Institutionen fast vollständig fehlen. Das zeigt, wie wenig institutionelle Unterstützung Frauen im Kultursektor in Uganda bekommen. „Wir haben mittlerweile die Führungspositionen in der Kulturszene inne“, sagt die Kuratorin Martha Kazungu. Doch wertgeschätzt würde dies kaum. Sie ist eine der wenigen ausgebildeten Kuratorinnen in Uganda und Gründerin der Njabala Foundation.

Sexismus und Misogynie gehören für Künstlerinnen zum Alltag

In dem stark patriarchalisch geprägten Land sehen sich Künstlerinnen immer wieder mit immensen Hindernissen konfrontiert. Der Kulturbereich ist nach wie vor männerdominiert, Erfahrungen mit Sexismus und Misogynie gehören zum Alltag. Hinzu kommen Ressourcenknappheit und staatliche Überwachung sowie die Tatsache, dass Kunst nicht als Beruf anerkannt wird.

Um dem etwas entgegenzusetzen, ergreifen viele Frauen immer häufiger selbst die Initiative – so wie Kuratorin Kazungu, die nach ihrem Masterstudium an der Universität Bayreuth 2021 die Njabala Foundation gegründet hat. Getrieben von ihrer Leidenschaft für die bildende Kunst und ihrer Frustration über patriarchale Machtverhältnisse, schuf sie einen Raum, in dem gezielt weibliche Perspektiven in den Mittelpunkt gestellt werden. Über Jahre hatte Kazungu den Eindruck gewonnen, dass, wo afrikanische Frauen im Fokus standen, eine Perspektive von außen dominierte. Deshalb wollte sie eine Plattform schaffen, die es Afrikanerinnen ermöglichen würde, ihre Kunst aus ihrer eigenen Sicht zu präsentieren. Ein mutiger Schritt – zumal sie ihn mitten in der Coronapandemie wagte, als viele Menschen in Uganda, insbesondere Künstlerinnen und Künstler, mit massiven Einkommenseinbußen zu kämpfen hatten.

Die Njabala Foundation hat acht Mitarbeitende und wird vollständig durch Spenden getragen. Sie versteht sich als Plattform zur Förderung ugandischer Künstlerinnen und bietet Ausstellungen, Mentorenprogramme und Forschungsprojekte. Dieses Jahr fand die erste Ausgabe des Obulo-Bwaffe-Festivals statt.

Kazungu hat es geschafft, sich trotz begrenzter Ressourcen einen Namen in Afrika zu machen, und ihre Arbeit zeigt Wirkung: Die Njabala Foundation ist längst zu einer wichtigen Institution und Stimme in Ugandas Kulturlandschaft geworden. International wird diese Arbeit wertgeschätzt: Uganda ist schon lange kein Geheimtipp mehr, und das Land zieht Kulturschaffende aus aller Welt an, die an einem regen Austausch mit der lebendigen lokalen Szene teilnehmen wollen. So auch die Bewegungskünstlerin Nabaggala, die gemeinsam mit der US-Amerikanerin Karla Flores die Tanzorganisation AfroRooted gegründet hat. Das Kollektiv verbindet Streetdance mit traditionellen afrikanischen Tänzen und veranstaltet Workshops und Tanzwettbewerbe.

In Uganda gibt es kaum staatliche Förderung für Kunst. Das ist einer der Gründe, weshalb die Njabala Foundation zum Beispiel nur eine große Veranstaltung im Jahr organisiert. Mehr kann sich die Stiftung laut Kazungu nicht leisten.

Viele ugandische Künstlerinnen verstehen es, Räume des Miteinanders zu schaffen

Gleichzeitig unterliegt die kulturelle Produktion im Land strengen staatlichen Kontrollen. So erfordert jede Theateraufführung eine Genehmigung durch die Uganda Communications Commission (UCC). Der Kostenpunkt liegt bei umgerechnet 25 Euro pro Vorstellung, eine erhebliche Summe für kleinere Produktionen mit begrenztem Budget. Für viele Kulturschaffende ist das Grund zur Sorge um die Zukunft des Theaters in Uganda: „Diese Richtlinien sind für jeden, der derzeit Theater machen möchte, ziemlich abschreckend“, sagt die Schauspielerin Aganza Kisaka.

Der Mangel an Unterstützung für Ugandas Kulturszene zeigt sich auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung. „Als Schriftstellerin fehlt es mir an Möglichkeiten, meine Kunst zu entwickeln und zu verfeinern“, sagt Goretti Kyomuhendo. Die Autorin und Gründungsdirektorin des African Writers Trust sieht in diesem strukturellen Defizit eine der größten Herausforderungen für literarisches Schaffen in der Region.

Um den Anschluss an die internationale Szene müssen sich die Künstlerinnen selbst kümmern. Der African Writers Trust bietet Seminare, Workshops und Konferenzen an und fördert so aktiv den Austausch zwischen Autorinnen und Autoren aus Uganda und aus dem Ausland. Damit hat Kyomuhendo selbst maßgeblich dazu beigetragen, dass Uganda heute stärker innerhalb Afrikas und der Diaspora vernetzt ist als noch vor drei Jahrzehnten. Dennoch bleibt ein strukturelles Problem bestehen: Im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern fehlen in Uganda weiterhin vielfältige Plattformen für eine literarische und künstlerische Vernetzung.

Gerade unter diesen schwierigen Bedingungen ist die Arbeit ugandischer Künstlerinnen umso wichtiger. Kunst gedeiht in der Gemeinschaft, und viele ugandische Künstlerinnen und weibliche Kulturschaffende verstehen es, genau diese Räume des Miteinanders zu schaffen und zu pflegen. „Frauen sind von Natur aus Erzählerinnen, wir bewahren und tragen Geschichten weiter“, sagt Kyomuhendo. Diese Erzählungen finden in unterschiedlichen Kunstformen Ausdruck, ob Literatur, Theater, Tanz oder bildende Kunst. Sie verbinden Menschen über soziale und kulturelle Grenzen hinweg und stiften Gemeinschaft.

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