Standpunkt | Sudan

Der Westen soll seine alten Textilien behalten

Getragene Kleidung aus dem Westen bedroht die lokale Textilindustrie im Globalen Süden – eine neue Form des Kolonialismus

Ich denke, dass Secondhandmärkte als weltumspannendes Geschäftsmodell die Bekleidungsindustrie in Ländern des globalen Südens, die oft noch auf traditioneller Handarbeit basiert, ruinieren.

Kleidung schlechter Qualität, die von Unternehmen reicher Industrieländer im Norden in riesigen Mengen produziert und billig vermarktet wird, befeuert den Hyperkonsum. Viele kaufen sich Ware, die unter unmenschlichen Bedingungen zu Hungerlöhnen hergestellt wurde, ziehen sie nur ein paar Mal an und entsorgen sie dann „für die weniger Glücklichen“.

So landen diese Kleidungsstücke, zusammen mit unverkauften Beständen, die mehrere Generationen kleiden könnten, auf Secondhandmärkten in Afrika, Südamerika und Asien. Zwar stellen diese für viele Menschen dort zunächst einmal eine erschwinglichere Alternative zu den lokalen Herstellern dar.

Auch schaffen sie vielleicht Arbeitsmöglichkeiten für Kleinhändler und -händlerinnen vor Ort. Aber zugleich schaden die Märkte für Secondhandkleidung den Modeproduzenten im globalen Süden, die preislich nicht konkurrieren können. Zudem trägt das Ganze zur Verwässerung des kulturellen Erbes bei, das traditionell ja auch über handwerklich produzierte Kleidung bewahrt wird.

„Das ist kein freier Handel mehr, sondern eine neue Form des Kolonialismus: Abfallkolonialsmus“

Wenn importierte Kleidung aus dem Westen billiger und weitaus verfügbarer ist als lokal hergestellte Kleidung, sind alle Bemühungen etwa der sudanesischen Textilindustrie im Grunde vergebens. Wenn die Menschen im Land ihre eigenen Schneiderinnen und Schneider nicht unterstützen, indem sie ihre Kreationen kaufen, wird ihr Erfolg davon abhängen, dass weiße, reiche Menschen ihre Mode kaufen.

Doch diese Kundinnen und Kunden sind weiter weg, es ist teurer sie zu erreichen und ich finde es kulturell nicht angemessen, eine ganze lokale Industrie auf diesen Markt auszurichten.

Es ist grotesk, dass reiche Industrieländer wie die USA, Kanada und Staaten Europas den Export ihres klimaschädlich produzierten und transportierten Kleidungsmülls in wirtschaftlich benachteiligte Länder des globalen Südens, in denen die Menschen am meisten unter der Erderwärmung leiden, auch noch über Subventionen fördern beziehungsweise Gegenmaßnahmen sanktionieren. Das ist kein freier Handel mehr, sondern eine neue Form des Kolonialismus: Abfallkolonialsmus.

Da sich die Secondhandmärkte in naher Zukunft nicht in Luft auflösen werden, sollten die Länder des Globalen Südens hohe Zölle auf die Verschiffung von Kleiderballen erheben, die hauptsächlich aus der sogenannten westlichen Welt kommen.

So könnte man klare Grenzen ziehen, aber dennoch einen Handel im Rahmen gestatten. Nur so haben unabhängige Modeschöpfer und Designerinnen, handwerkliche Upcycler und Schneidereibetriebe eine echte Chance, sich zu positionieren und auf ihren jeweiligen Märkten vor Ort – und vielleicht sogar über den Export – Gewinne zu erzielen.

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